musikfest bremen 2004
: Jessye Norman ist fußkrank

Auch beim diesjährigen Musikfest ist eine inhaltliche Linie oder ein Konzept kaum auszumachen. Dafür hat der künstlerische Leiter Thomas Albert stärker denn je in die Raritätenkiste gegriffen und bietet mit allem Risiko wunderbare Seltenheiten an, auf die ganz unterschiedliche Geschmäcker gespannt sein können.

Es gibt Liederabende, Sinfonien, Kammermusik, Volksmusik, Jazz und sogar eine konzertant aufgeführte Opéra bouffe von Jacques Offenbach.

Abgesagt hat allerdings gestern Jessye Norman ihren Liederabend vom 28. September. Die Sopranistin sei fußkrank, heißt es in einer Pressemitteilung des Musikfestes. Bereits erworbene Eintrittskarten könnten zurückgegeben oder umgetauscht werden: für eine Jessye-Norman-Karte gebe es an der Kasse der „Glocke“ zwei (!) Karten eines beliebigen Musikfest-Konzertes.

Zum Beispiel für den spannenden Versuch, Anton Bruckner und Gustav Mahler auf historischen Instrumenten zu spielen. Das zelebriert das Orchestre des Champs-Elysées unter Philippe Herreweghe, der sich in den letzten Jahren immer näher an die Musik der vorletzten Jahrhundertwende herangepirscht hat.

Originelle Highlights sind sicher die beiden Projekte von Kristjan Järvi mit seinem 1993 gegründeten Kammerorchester. Einerseits wird „Järvis Absolute“ erklingen: Musik Frank Zappas, jenes legendären Rockmusikers, der wie kein anderer die Gegensätze von U und E aufgehoben hat. Andererseits dirigiert Järvi in einem zweiten Konzert Werke von Arnold Schönberg und John Adams.

So schrecklich die Eroberung Südamerikas mit ihrer systematischen Vernichtung der Azteken- und Inkakulturen auch war, die Kunstmusik erfuhr so eine reichhaltige gegenseitige Befruchtung. Nur ist die Barockmusik aus Südamerika in Europa nahezu unbekannt. Dagegen an singt das Ensemble Ex Cathedra: „New World Symphonies“.

Thomas Hengelbrook mit seinem Balthasar-Neumann-Chor ist einer von denen, die ständig auf der Suche nach neuen Zusammenhängen sind. Jetzt setzt er sich in zwei Konzerten mit der „Nacht“ auseinander, dem zentralen Begriff der Romantik. Und dem deutschen Mythos „Faust“ widmet sich der Niederländische Kammerchor.

Alles in allem ist im Programm dieses Jahres vieles, was nicht auf den ersten Blick attraktiv ist – dafür auf den zweiten umso mehr.Ute Schalz-Laurenze

www.musikfest-bremen.de