Unterwegs, um zu bleiben

Mit der Anti-Lager-Tour wollen Flüchtlinge auf ihre miserablen Bedingungen in Heimen und Abschiebeknästen aufmerksam machen. Heute machen sie Station in Berlin und Brandenburg

VON FELIX LEE

Die Route zwischen Alexanderplatz und Willy-Brandt-Haus am Halleschen Ufer scheint bei Demonstranten zum beliebten Dauerbrenner zu werden. Heute sind es nicht die Montagsdemonstranten gegen Hartz IV, die diese etwa vier Kilometer lange Strecke für den Autoverkehr blockieren werden, sondern Teilnehmer der Anti-Lager-Tour. Denn die macht Zwischenstopp in Berlin. „Wir sind gekommen, um gegen die Isolation der Flüchtlinge in Lagern zu protestieren“, heißt es in einer Erklärung der Anti-Lager-Tour.

Seit 13 Tagen fahren etwa 200 Flüchtlinge und antirassistische Aktivisten durch das Bundesgebiet und machen mit Demonstrationen und Zeltlagern Halt vor Asylbewerberunterkünften und Abschiebegefängnissen. Proteste gab es unter anderem am Flughafen in Hannover, beim Frauengefängnis im nordrhein-westfälischen Neuss sowie vor Sammellagern für Flüchtlinge in Halberstadt (Sachsen-Anhalt) und Parchim (Mecklenburg-Vorpommern). Berlin ist vor Eisenhüttenstadt die vorletzte Station. Die Tour lehnt sich an die Flüchtlingskarawanen und Protestcamps vergangener Jahre an. Neu an dieser Aktion ist aber, dass Flüchtlinge zum ersten Mal selbstorganisiert und gleichberechtigt mit den deutschen Unterstützergruppen an der Vorbereitung beteiligt sind, sagt Uschi Volz-Walk, die den Protest in Berlin mitorganisiert.

Ziel der Demo, die um 15.30 Uhr auf dem Alexanderplatz beginnt, ist die SPD-Zentrale unter anderem wegen Innenminister Otto Schily (SPD), der vorgeschlagen hat, in Nordafrika so genannte Auffanglager zu errichten, also vor den EU-Grenzen. „Damit wird die Festung Europa noch mehr gegen unerwünschte Flüchtlinge abgeschottet“, sagt Volz-Walk. Aber auch gegen die Arbeiterwohlfahrt (AWO) gegenüber von der SPD-Zentrale am Halleschen Ufer richtet sich die Kritik der Demonstranten. Im Aufruf heißt es, dass sie für so genannte Rückführungsprojekte verantwortlich ist, ein etwas humaner klingender Begriff für „Abschiebung“. Zudem betreibe die AWO Flüchtlingsheime wie in Rathenow in Brandenburg. Heimbewohner hätten mehrfach beklagt, dass dort unter anderen Neonazis als Heim-Security angestellt sind, die Flüchtlinge entsprechend schikanieren.

Auf ihrem zweitägigen Zwischenstopp wollen die Flüchtlinge ihr Augenmerk daher nicht nur auf Berlin lenken. Für heute morgen planen sie unter anderem eine Aktion vor dem Flüchtlingsheim Kunersdorf bei Strausberg. Mit einem „Protestfrühstück“ wollen sie vor dem Lager gegen das Chipkarten-System demonstrieren. Erst vor einem Monat hatten die Heimbewohner für Aufsehen gesorgt, als sie öffentlich das Aufladen der Chipkarte verweigerten und stattdessen Bargeld forderten. Im Kreis Märkisch-Oderland bekommen Flüchtlinge seit einigen Jahren kein Bargeld mehr ausgezahlt, sondern beziehen ihre Leistungen vom Sozialamt per Chipkarte. Einmal die Woche kommt ein Vertreter des Sozialamts ins Heim und lädt sie ihnen auf. Der Nachteil: Mit dieser Karte können sie nur bei zwei Supermärkten kaufen – der Nächste liegt zwölf Kilometer entfernt. Lange Fußmärsche sind also für die Flüchtlinge angesagt, denn eine Busfahrt mit Chipkarte gibt es bisher noch nicht.

Die PDS des Landkreises habe sich zwar bereits dafür ausgesprochen, den Flüchtlingen wieder Bargeld auszuzahlen, erzählt ein Beteiligter der Anti-Lager-Tour, aber erst nach den Brandenburg-Wahlen. „Anscheinend ist Flüchtlingspolitik im Wahlkampf nicht angesagt.“