FRIEDENSPROZESS IM NAHEN OSTEN: DIE EU MUSS IHREN EINFLUSS NUTZEN
: Warten, bis al-Qaida kommt

Joschka Fischer ist ein gern gesehener Gast im Nahen Osten. Politiker aus dem Likud wie der Arbeitspartei stehen mit dem deutschen Außenminister auf Du und Du, und auch auf palästinensischer Seite hat Fischer alte Freunde. Die geteilte Sympathie der Konfliktparteien ist selten und deshalb wertvoll, gerade in diesen für den israelischen Regierungschef wie für die Palästinenser schwierigen Zeiten, in denen der Hauptvermittler, die USA, anderweitig beschäftigt ist.

Europa und die Bundesrepublik können Einfluss auf die Region nehmen. Fischer selbst hat das bewiesen, als er im Sommer vor drei Jahren nach einem Bombenanschlag in Tel Aviv scharfe militärische Vergeltungsmaßnahmen von Seiten Israels unterbinden konnte. Die deutsche Beteiligung beim Geiselaustausch zwischen Israel und der Hisbollah hat das Vertrauen vertieft. Europa unterstützte federführend die „Roadmap“, die palästinensischen Reformen und den Kampf gegen die Korruption. Gute Ansätze, die nun im Sande zu verlaufen drohen. Das zunehmende Chaos, vor allem im Gaza-Streifen, scheint Europa nicht zu interessieren. Auch den israelischen Premierminister Ariel Scharon lässt die EU den Hindernislauf im eigenen Heim allein absolvieren. Eine Aufgabe, die ihm durch die gestrigen Bombenanschläge deutlich erschwert werden dürfte. Doch der von ihm angestrebte Abzug aus Gaza scheint nicht nur die einzige derzeit erkennbare Chance für neue Impulse zu sein, wie der israelische Außenminister Schalom berechtigt hofft, sondern er ist zudem ein Prüfstein für alle weiteren Entwicklungen. Funktioniert das Projekt, wird es weitere derselben Art im Westjordanland geben. Schlägt es fehl, sind Eskalationen kaum zu vermeiden.

Noch bleibt die Gewalt auf die Konfliktregion beschränkt. Hamas und Dschihad agieren vorläufig anders als al-Qaida. Offen bleibt nur, wie lange noch – und wer als Erster an die Reihe käme, sollte die Nahostkrise über die Grenzen des umkämpften Landes herausbrechen. Die EU ist mit der Osterweiterung auf nur eine halbe Stunde Flugzeit an Israel herangerückt. SUSANNE KNAUL