Willkommene Ablenkung

In der Bürgerschaft streitet sich die Koalition intern um DNA-Analysen, ist sich aber einig darin, die SPD wegen ihrer umständlichen Kandidatensuche zu verhöhnen

Die sechsköpfige FDP-Fraktion in der Bürgerschaft ist ein Konglomerat aus Abgeordneten, die in den vergangenen zwei Jahren vor allem ihre pure Anwesenheit, ironisch hochgezogene Mundwinkel und lachendes Hohnklatschen in das Parlament eingebracht haben. Gestern jedoch hatten sie gar ein eigenes Thema in der Aktuellen Stunde angemeldet: Das Instrument der DNA-Analyse wünschten sie im Parlament zu debattieren.

„Uns wird hier ein koalitionsinterner Konflikt auf dem Präsentierteller vorgeführt“, stellte der stellvertretende GAL-Fraktionschef Christian Maaß verwundert fest. Während FDP-Fraktionschef Burkhardt Müller-Sönksen zu Beginn in bekannt blumigen Worten für den maßvollen Umgang mit der DNA-Analyse warb, hatte der Schill-Abgeordnete Frank-Michael Bauer anschließend von „Busengrabschern bis Schwarzfahrern“ den flächendeckenden Einsatz der Genkontrolle im Auge.

Maaß urteilte daraufhin, dass die Schill-Fraktion sich mit dem „Gentest für Gelegenheitskiffer außerhalb der Verfassung stellt“. Ein solches Vorgehen sei zudem viel zu teuer und zu aufwändig: „Das ist so, als wenn man einen Hubschraubereinsatz für Anlagenbetrüger ansetzt.“

Bei CDU-Justizsenator Roger Kusch drang er damit verständlicherweise nicht durch. Kusch verwies darauf, dass Rot-Grün 2001 lediglich 1.300 Genmuster angemeldet hat, der Senat jedoch mittlerweile 5.600. Da der SPD-Abgeordnete Michael Neumann lediglich mitgeteilt habe, zu dem Thema gebe es nichts zu sagen, kommentierte Kusch süffisant: „Bei solchen Beiträgen der SPD bleibt der Koalition ja nichts anderes erspart, als für die Meinungsvielfalt selbst zu sorgen.“

Auch ansonsten nutzten die Koalitionäre gestern jede Gelegenheit, auf den Zustand der SPD und insbesondere ihre unsichere Spitzenkandidaten-Situation hinzuweisen. Das Hin und Her um Ex-Bürgermeister Henning Voscherau und dessen ungnädige Worte über die Sozialdemokraten waren denn auch dankbarstes Futter, um von der eigenen Politik ablenken zu können.

Schill-Fraktionschef Norbert Frühauf stellte fest: „Es ist doch paradox, dass ein Voscherau in seinen Äußerungen für unsere Politik wirbt, aber bei Ihnen noch seine Beiträge bezahlt.“ Sein Fraktionskollege Stephan Müller glaubte, dass „die SPD noch nie so viel Angst gehabt hat wie heute, dass wir Ihrem Antrag auf Neuwahlen tatsächlich zustimmen könnten“. PETER AHRENS