Der Trainer ist nicht tabu

Friedhelm Funkel gilt als seriöser Arbeiter. Dass sich das erst in einem Sieg niederschlägt, wird allerdings zunehmend zum Problem. Schon nach dem nächsten Spieltag könnte es sich gelöst haben

aus Köln DANIEL THEWELEIT

Borussia Mönchengladbach und der 1. FC Köln, deren Anhänger sich stets in tiefer Abneigung begegnen, haben in den vergangenen Jahren eine seltsame Parallelentwicklung durchlebt. In den 90ern sind die beiden Traditionsvereine, noch berauscht von den Erfolgen längst vergangener Zeiten, tief gestürzt, sogar bis in die zweite Liga. Mühsam konnten sich beide berappeln, Schuldenberge abbauen, den Führungsstil modernisieren und errichten nun neue Stadien, die den Weg in eine glänzende Zukunft ebnen sollen. Beide wähnen sich kurz vor der ersehnten Rückkehr ins obere Tabellendrittel der Bundesliga, stehen aber jeweils auf einem Abstiegsplatz. Denkt man den Gleichschritt weiter, müsste Folgendes passieren: Nachdem die Entlassung Ewald Lienens in Mönchengladbach die Schlagzeilen dieser Woche ausreichend füllte, könnte diese zweifelhafte Ehre in der kommenden Woche seinem Kölner Kollegen Friedhelm Funkel gebühren.

Für den Kölner Boulevard ist jedenfalls klar: „Funkel gewinnt das nächste Spiel gegen Bremen – Gnadenfrist. Funkel verliert – Rausschmiss“. So jedenfalls sieht es Bild. Und selbst der besonnene Sportmanager Andreas Rettig erhöht den Druck auf seinen Übungsleiter. „Wir machen uns hier über alles Gedanken, über die Mannschaft und auch den Trainer. Es gibt für uns kein Tabuthema, auch die Trainerfrage nicht“, sagte er im Interview mit dem Kölner Stadt-Anzeiger. Für Funkel spreche jedoch, dass „von sechs Spielen nur eines wirklich schlecht war“, so Rettig. Dies gibt auch dem Trainer Zuversicht. „Es müsste mit dem Teufel zugehen, wenn unsere guten Leistungen nicht in naher Zukunft endlich belohnt werden“, sagt Funkel und ergänzt: „Wir spielen gut, treten engagiert auf, wenn das so weitergeht, kann man uns überhaupt keinen Vorwurf machen.“

Doch irgendwann zählen nur noch die nackten Zahlen. Rechnet man die letzten Partien der vergangenen Spielzeit hinzu, lautet die jüngste Bilanz: neun Niederlagen in zehn Spielen. Mit lediglich drei Punkten ist man Tabellenletzter, und nach dem 2:3 gegen Wolfsburg am vergangenen Wochenende fand die latente Skepsis, die dem Trainer in der Stadt seit seiner Amtsübernahme 2002 entgegenschlägt, ihren Ausdruck in ersten „Funkel raus“-Rufen im Stadion. Der Trainer wurde in Köln nie sehr leidenschaftlich geliebt, kein Vergleich zur Verehrung, die beispielsweise Ewald Lienen nach gelungener Rückkehr in die Bundesliga 2000 zuteil wurde. Schon während der überaus erfolgreichen Aufstiegssaison hatte die Öffentlichkeit immer wieder die spielerisch oft unansehnlichen Auftritte der Mannschaft und damit auch Funkel in den Fokus der Kritik gerückt.

Im Prinzip besteht ein fußballkulturelles Missverhältnis zwischen der Stadt und ihrem obersten Fußballlehrer. Der eher biedere Funkel tritt stets freundlich und korrekt auf, verstrahlt aber keinerlei Glanz, redet weder weltmännisch noch rheinisch-humorvoll daher, er gehört wie schon als Spieler zur Kategorie „zuverlässiger Arbeiter“ und lässt die tiefe Sehnsucht der Kölner Fußballwelt nach dem Besonderen vollkommen unbefriedigt. „Friedhelm ist einfach nicht der eloquente Unterhalter, der täglich die Gazetten füllt, wie sich das viele hier wünschen“, erklärte Rettig einmal die kölnischen Vorbehalte, die nun, in Zeiten des Misserfolges, zu einer ernsten Bedrohung werden.

Lange übertünchte Dirk Lottner, Funkels Gegenstück im Klub, der Mann für die magischen Augenblicke, diesen Makel. In fast jedem Spiel hat er seine genialen Momente, er schoss das entscheidende Tor zum bisher einzigen Sieg, aber mit dem disziplinierten Arbeiten hat es Lottner eben nicht so sehr. Zu Zweitligazeiten bildeten Kapitän und Trainer ein kongeniales Gespann, sie ergänzten sich hervorragend und machten jeweils die Schwächen des anderen erträglich. In der Bundesliga reichen die Qualitäten des Publikumslieblings dafür aber nicht mehr aus. Das macht es auch für den Trainer schwer.

Funkels Hoffnung beruht nun auf zwei Umständen: Mustafa Dogan, der als Abwehrchef verpflichtet worden ist und der in den letzten vier Spielen wegen einer Fußverletzung pausieren musste, kehrt zurück und soll die Abwehr stabilisieren, damit die guten Offensivleistungen endlich einmal auch mit Punkten belohnt werden. Außerdem könnte Funkel davon profitieren, dass der Markt keinen adäquaten Ersatz hergibt, denn tatsächlich ist Klaus Toppmöller der einzige renommierte deutsche Trainer, der gegenwärtig ohne Anstellung ist – und der scheint sich in diesen Tagen mit Tottenham Hotspur zu einigen. Dass die Kölner dem Gladbacher Beispiel folgen und einen Neuling auf den Trainerstuhl hieven, ist jedenfalls trotz aller Parallelen nicht zu erwarten.