Eine Linke reicht den Grünen

Das Reala-Duo Krista Sager und Katrin Göring-Eckardt kann beruhigt sein: Die grüne Fraktion wird sie wieder als Chefinnen wählen. Konkurrent Fritz Kuhn kandidiert nicht. Die Linke ist schon zufrieden, dass Claudia Roth in die Parteispitze zurückkehrt

VON LUKAS WALLRAFF

Es ist die letzte Chance bis 2006. Wer vor der nächsten Bundestagswahl noch etwas ändern möchte an der grünen Führungsmannschaft, muss sich beeilen. Heute werden die zwei Vorsitzenden der Bundestagsfraktion gewählt, Anfang Oktober die Parteichefs. Das bedeutet: Die vier attraktivsten Posten bei den Grünen, neben den Ministersesseln, sind zu vergeben. Da könnte man vermuten, dass es ganz schön rumpelt. Tut es auch.

Von links wird heftiger Unmut über die amtierende Fraktionsführung geäußert. „Wenn ich Katrin Göring-Eckardt höre, die mit evangelisch-pietistischem Unterton in der Stimme härtere Einschnitte fordert, kriege ich zu viel“, war gerade erst zu hören. Starker Tobak, wie man ihn von den traditionell verzankten Grünen kennt, die sich schon immer besonders gern über Personalien in die Haare kriegen. Doch Göring-Eckardt, die zusammen mit ihrer Chefkollegin Krista Sager wieder für den Fraktionsvorsitz kandidiert, muss sich wenig Sorgen machen, dass es bei der Klausurtagung der grünen Bundestagsabgeordneten im brandenburgischen Bad Saarow zur Rebellion kommt. Denn der böse Satz über Göring-Eckardt kam von Michael Müller, dem Sprecher der SPD-Bundestagslinken.

Die eigenen, grünen Linken, so es sie noch gibt, halten sich mit Kritik an ihrer Führung dagegen auffallend zurück – obwohl einige von ihnen durchaus zu erkennen geben, dass sie insgeheim genauso über ihre Chefin denken. Hinter vorgehaltener Hand monieren sie die kühle Art, mit der Göring-Eckardt, ebenso wie Sager, auf die Proteste gegen die Sozialreformen reagiere. Aber öffentlich Protest anmelden? Gegenkandidaten aufstellen? Rebellieren? Lieber nicht.

Die Fraktionschefinnen hätten „im Großen und Ganzen ihre Arbeit gut gemacht“, sagt der linke Umweltpolitiker Winfried Hermann. Weil das angesichts der guten Umfragewerte auch die Realos finden, hat Ex-Parteichef Fritz Kuhn auf eine Gegenkandidatur bereits verzichtet.

Hermann gibt sich damit zufrieden, dass Göring-Eckardt und Sager „nicht alles, was vom Mainstream abweicht, unterdrücken“. Beide seien „durchaus bemüht zu integrieren“, sagt Hermann. Aus seinem, stets kritikfreudigen Mund ist das ein hohes Lob.

Es scheint ganz so, als hätten sich die Linken damit abgefunden, dass die Fraktion seit zwei Jahren erstmals von einem Reala-Duo geführt wird. Die früher übliche Links-rechts-Aufteilung an der Grünen-Spitze im Bundestag ist damit passé. Statt daran etwas zu ändern, haben die Linken genug damit zu tun, wenigstens die Pöstchen abzusichern, die noch für ihren Flügel reserviert sind. Fraktionsgeschäftsführer Volker Beck etwa ist nicht unumstritten, weil er es – manchmal – wagt, an urgrüne Themen wie die Bürgerrechte zu erinnern oder für Krach in der Koalition zu sorgen wie im Zuwanderungsstreit mit Otto Schily. Es dürfte kein Zufall sein, dass Beck seine beiden Chefinnen gestern ausdrücklich per Pressemitteilung gegen die Angriffe aus der SPD in Schutz nahm. „Der Feind steht in den Reihen der Opposition, Herr Böhning!“, ermahnte Beck den Juso-Chef, der gesagt hatte, die Grünen seien unter ihrer aktuellen Führung „eine durch und durch neoliberale Partei geworden“.

Weil so etwas selbst die Realos nicht gern hören und weil sie den Eindruck widerlegen möchten, es gebe keine Linken mehr, dürfte Beck ebenso im Amt bestätigt werden wie der prominenteste Grünen-Linke. „Ich werde wieder kandidieren“, sagte Fraktionsvize Christian Ströbele der taz. Mehr sei im Moment eben nicht drin, sagt Hermann. „Wir kennen doch die Mehrheitsverhältnisse in der Fraktion.“ Und immerhin bekämen die Linken ja mit Claudia Roth bald „endlich wieder eine Ansprechpartnerin im Parteivorstand“.