Star-Kommentator mit SPD-Mandat

Wähler in Mittelfranken schicken Fußballreporter Günther Koch per SPD-Mandat in den Landtag, zum Unmut des BR

Nach einem Beinahe-Kaltstart dürfte Günther Koch eigentlich in den bayerischen Landtag einziehen. Sicher hat dem Fußballreporter sein Bekanntheitsgrad geholfen, als er für die SPD in Mittelfranken in den Wahlkampf zog. Eine Überraschung war das eigentlich nicht, denn der 61-Jährige ist seit 33 Jahren SPD-Mitglied. Vor fünf Jahren unterstützte er die damalige Spitzenkandidatin und heutige Bundesfamilienministerin Renate Schmidt nach Kräften im Wahlkampf – so erfolgreich, dass sie ihren Stimmkreis in Nürnberg direkt gewann. Trotzdem wollte ihm die SPD nun im Gerangel um Pfründen und Plätze kein eigenes Direktmandat zur Verfügung stellen. Ein echtes Handicap, denn nach bayerischem Wahlrecht zählen Erst- und Zweitstimmen gleichermaßen. So konnte Koch im Gegensatz zu vielen anderen Listenkandidaten nur Zweitstimmen einsammeln. Umso beeindruckender, dass der Reporter das weitaus beste Ergebnis aller SPD-Kandidaten erzielte.

Vor Kochs Einzug in den Landtag steht aber ein kleines Problem mit seinem Arbeitgeber Bayerischer Rundfunk und der CSU. Denn der BR-Intendant Thomas Gruber hatte nach Interventionen von Bayerns Innenminister und BR-Rundfunkrat Günther Beckstein (CSU) angekündigt, dass ein politisches Mandat mit einer Tätigkeit als Sportreporter unvereinbar sei – was angesichts der zahllosen Verquickungen und Verfilzungen zwischen der Alleinregierungspartei CSU und dem BR äußerst zweifelhaft erscheint, zumal die Regularien ein solches Mikrofonverbot keineswegs zwingend vorsehen.

Zehn Worte waren es, die den Fußballreporter Koch auch weit über Bayern hinaus zur Legende werden ließen: „Ich pack das nicht, ich halt das nicht mehr aus!“, schrie Koch am letzten Spieltag der Bundesligasaison 1998/99 ins Mikrofon, als der 1. FC Nürnberg, Kochs heiß geliebter „Club“, mit unfassbarer Selbstüberschätzung den Klassenerhalt verspielte. Nach der wohl berühmtesten Konferenzschaltung in der Geschichte der Bundesliga-Übertragungen im Radio war Koch ein Star.

Schon vorher galt der Franke aber mindestens als Kultfigur unter den Reportern. Im Gegensatz zu vielen Kollegen machte er aus seiner Leidenschaft für den eigenen Verein keinen Hehl, ohne dabei je parteiisch zu wirken, im Gegenteil: Wenn der „Club“ schlecht spielte, was meistens der Fall war, litt und schimpfte Koch gleichermaßen. Sein empathischer Stil – den er übrigens auch beibehielt, wenn er vom BR zu Heimspielen des Erzfeindes Bayern München abkommandiert wurde – sowie seine weit über dem Fußballreporter-Durchschnitt liegenden rhetorischen Fähigkeiten bewahrten Koch auch davor, allzu oft in die üblichen Plattitüden des Kommentatorenjargons zu verfallen. Seinen Sprachwitz würdigten diverse Größen der süddeutschen Elektronik- und Popszene vor zwei Jahren gar mit einer Remix-CD der besten Koch-Reportagen.

Heute muss Koch, im Nebenberuf übrigens Realschullehrer für Deutsch und Religion, zum Rapport bei Intendant Gruber antreten. „Ich fühle mich meinen Wählern verpflichtet“, hat er zuvor gesagt – und mit einem Wechsel zum Privatfunk gedroht. Das wäre wohl das Schlimmste, was er dem Bayerischen Rundfunk antun könnte.

JÖRG SCHALLENBERG