Sind Kongo-Geschäfte Verbrechen?

Chefankläger des Internationalen Strafgerichtshofs verlangt Ermittlungen gegen Firmen, die während des Krieges im Kongo Rohstoffgeschäfte getätigt haben. Auch Deutschland betroffen. Der Gerichtshof macht den Kongokrieg zu seiner Priorität

von DOMINIC JOHNSON
und FRANCOIS MISSER

Der Internationale Strafgerichtshof nimmt Privatunternehmen ins Visier, die in der Demokratischen Republik Kongo Geschäfte mit den Kriegsparteien gemacht haben. Chefankläger Luis Moreno Ocampo sagte am Dienstag in Den Haag, er wolle 29 Staaten zu Ermittlungen über finanzielle Beziehungen aus ihren Ländern zu Stellen im Kongo ermutigen. Dabei gehe es um Handel mit Diamanten, Gold, Coltan und anderen Rohstoffen. Unter anderem seien die USA, Deutschland, China, Großbritannien, Südafrika und Kanada betroffen.

„Wenn sie nicht die illegalen Geschäfte stoppen, können wir das Verbrechen nicht stoppen“, sagte der Chefankläger. „Diese Geschäfte heizen die Kriminalität an.“ Ocampo hatte Mitte Juli angekündigt, der Internationale Strafgerichtshof wolle sich prioritär mit dem Kongokrieg befassen, genauer mit dem nordöstlichen Distrikt Ituri, wo interethnische Massaker ein besonders schlimmes Ausmaß angenommen haben. Seit In-Kraft-Treten des IStGH-Statuts am 1. Juli 2002 seien in Ituri über 5.000 Menschen Kriegsverbrechen zum Opfer gefallen, hatte Ocampo damals gesagt.

Konkrete Ermittlungen hat das Gericht im Kongo noch nicht aufgenommen. Zunächst sucht es einen Chefermittler für Ituri. Weiterhin hat der Gerichtshof französische Wissenschaftler damit beauftragt, im Kongo ein Kontaktnetz zur Informationsbeschaffung herzustellen. Tendenziell könnten nämlich die Ermittlungen über Ituri hinausgehen. Kongos Krieg hat nach unabhängigen Schätzungen seit 1998 über 3 Millionen direkte und indirekte Todesopfer gefordert. Obwohl seit Juli die Kriegsparteien des Landes gemeinsam regieren, bleibt der Kongo weiterhin territorial zwischen seinen Warlords geteilt, und im Osten des Landes warnen Menschenrechtler vor neuen Kriegsvorbereitungen großen Stils.

Ocampos Einbeziehung von Privatunternehmen ist im Zusammenhang mit der Debatte um die Nutzung der natürlichen Reichtümer des Kongo zur Kriegsfinanzierung zu sehen. Eine UN-Expertenkommission ermittelt seit 2001, wie sich Kongos Kriegsparteien durch Rohstoffschmuggel finanzieren und wer ihre Geschäftspartner sind. Das Mandat der Kommission läuft noch bis Ende Oktober. Bis dahin soll sie Empfehlungen für den zukünftigen Umgang mit Kongos Reichtümern vorlegen.

In ihrem letzten Bericht von Oktober 2002 empfahl die Kommission bereits Strafmaßnahmen gegen 29 Unternehmen und listete 85 Firmen auf, die im Kongo die OECD-Richtlinien für die Tätigkeit multinationaler Unternehmen verletzten. Zu den 85 gehören fünf Firmen aus Deutschland, die sämtlich in den Handel oder die Verarbeitung von Coltan verwickelt sind – ein im Ostkongo vorkommender Rohstoff, der unter anderem bei der Herstellung von Mobiltelefonen und Computerbauteilen eingesetzt wird. Es waren die Chemiegruppe Bayer und deren Tochter H. C. Starck sowie die Mineralienhandelsfirmen KHA International, Masingiro und SLC.

H. C. Starck, nach Angaben aus dem Kongo zeitweise der größte Abnehmer kongolesischen Coltans, hat die Vorwürfe der UNO zurückgewiesen und erklärt, es habe mit Zentralafrika nichts mehr zu tun. So sieht es sich auch nicht als mögliche Zielscheibe strafrechtlicher Ermittlungen. „Ich kann mir nicht vorstellen, dass wir davon betroffen sind“, sagte Firmensprecher Manfred Bütefisch der taz.

Eher noch könnte Ocampos Ankündigung Auswirkungen in Belgien haben, zumal Belgiens früherer Generalstaatsanwalt Serge Brammertz jetzt Stellvertreter Ocampos am Internationalen Strafgerichtshof ist und die Kongo-Ermittlung leiten soll. Die belgische Justiz geht bereits gegen mehrere Kongo-Geschäftsleute vor. So wurde im November 2002 Zulfakarim Panju aus dem ostkongolesischen Bukavu an Flughafen Brüssel mit 50 Kilogramm Gold im Gepäck verhaftet. Seine belgischen Konten wurden ebenso beschlagnahmt wie die des Belgiers Jacques van den Abeele, dessen Firma Cogecom Coltan aus dem Ostkongo gekauft hat. Mit ihren Zahlungen, so Belgiens Polizei, hätten die beiden Geschäftsleute Waffenkäufe durch Kongos Rebellen finanziert.

Über Prozesse gegen Panju und Abeele will Belgiens Justiz erst entscheiden, wenn die UN-Kommission ihre Arbeit abgeschlossen hat. Aber Ocampos Mahnung könnte den Entscheidungsprozess beschleunigen. Nächste Woche will er per Brief die betroffenen Regierungen zur Mitarbeit auffordern. Formelle Ermittlungen könnten dann im Oktober beginnen.