gottschalk sagt
: Die Stadt der Möglichkeiten

CHRISTIAN GOTTSCHALK: Die Kolumne am Donnerstag

In Köln ist immer was los. Doch meistens gehe ich nicht hin. „Kölner Lichter“ (Feuerwerk ist doch sehr überschätzt), Motörhead beim Ringfest (zu voll), Johannes Heesters im „Jedermann“ auf dem Roncalliplatz (schlechtes Wetter), „City Grand Prix“ am Mediapark (habe ich verschlafen). „Großstädtischer Eventismus“ sei so etwas, schrieb einmal die StadtRevue und hat damit ein ziemlich gutes Wort erfunden. Wenn Veranstaltungen als „Event“ angekündigt werden, sollte man das ohnehin getrost als Warnung verstehen.

Trotzdem freut es mich, dass so viel los ist in Köln. Gerne sehe ich in der U-Bahn aufgekratzte Jugendliche auf dem Weg zum Ringfest, herausgeputzte Ehepaare auf dem Weg ins Theater und Studenten, die sich freuen, endlich nicht mehr in Schwaben zu wohnen. Großstadt handelt doch von Möglichkeiten: Man könnte an einem Abend erst gut bürgerlich Sauerbraten essen, dann auf eine schwule Uniformparty gehen, anschließend bei „angesagter Musik“ chinesisches Flaschenbier trinken und später noch in einer Kneipe, die nach Urinal-Stein „Classic“ riecht, mit einem arbeitslosen Arbeiter die Weltlage diskutieren. Und das, ohne sich zwischendurch umzuziehen. Könnte man.

Und bei all diesen Möglichkeiten muss man nicht auf das Provinzielle verzichten: Schützenumzüge, SPD-Stadtteil-Feste, Opel-Corsa-Clubs, schnauzbärtige Bürgermeister, Aschenplatzturniere, gut zubereitete Krokantbecher, Mottopartys, hässliche Springbrunnen, all das gibt es auch bei uns. Lediglich die Mehrzweckhalle ist etwas größer ausgefallen und heißt Arena. In der Provinz dagegen sucht man das Großstädtische vergebens, vom ein oder anderen sozialen Brennpunkt einmal abgesehen. Allerdings gibt es bei uns nicht diese Plakate, die Suzie Quatro auf leuchtend orangem Hintergrund ankündigen. Das geht wirklich erst an den Bushaltestellen hinter der Stadtgrenze los.

Und selbst wenn man bei all den Möglichkeiten, die diese Stadt einem bietet, meistens doch in dieselbe Kneipe geht – man hat sich diesen Ort wenigstens selbst ausgesucht. Man könnte auch mal woanders hingehen. Man könnte auch mal wieder ins Theater gehen. Und Heesters, den kann man sich irgendwann noch mal live angucken. Lemmy von Motörhead sieht allerdings schon etwas fertig aus.