Film ist Form

Männer rauchen hoffnungslos: In seinem Film „Puppen aus Ton“ erzählt der tunesische Filmemacher Nouri Bouzid von jungen Hausmädchen und deren Vermittlung in Tunis

Nouri Bouzid ist einer der bekanntesten Filmautoren Tunesiens. Spätestens seit seinem Film „Bezness“ (1992), in dem er das Thema der Prostitution behandelt, ist der 59-Jährige, der wegen seines Engagements für den Sozialismus zwischen 1973 und 1979 inhaftiert war, auch bei uns als engagierter Filmemacher bekannt. „Puppen aus Ton“ (Arais al-Tein), sein siebter Film, ist sehr schön und wurde mit vielen Preisen, unter anderem auf dem Internationalen Filmfestival in Innsbruck, ausgezeichnet.

Der Film erzählt die Geschichte von Omrane (Ahmed Hafiane), einem hageren Mann um die 40, der junge Frauen aus seinem kleinen Heimatdorf, das berühmt ist für schöne Töpferarbeiten, als Hausmädchen nach Tunis vermittelt. Für jede Vermittlung bekommt er eine Provision. Einen Teil des Lohns der Mädchen bringt er regelmäßig zurück ins Dorf zu den Familien der jungen Mädchen.

Irgendwann verschwindet Rebeh (Hend Sabri), eines der Mädchen, für deren Wohlergehen er sich verbürgt hatte. Die Eltern sind empört. Zusammen mit der neunjährigen Feddah (Oumeya Ben Hafsia) macht sich Omrane auf die Suche nach Rebeh. Während Omrane in Tunis nach deren Verbleiben fragt, sitzt das kleine Mädchen in seiner dunklen Junggesellenwohnung und formt Puppen aus Ton, die sie sofort zerstört, wenn sie fertig sind.

„Ich bleibe davon überzeugt – im Gegensatz zu den Amerikanern, die darüber witzeln, Film sei erstens eine Story, zweitens eine Story und drittens eine Story –, dass Film in erster Linie Form ist“, sagt Nouri Bouzid über seinen Film, der gerade in seinen dokumentarisch anmutenden Passagen großartig ist. Der Anfang zum Beispiel ist brillant. Wie Omrane mit seinem klapprigen Dreiradauto ins klapprige Dorf kommt. Im Hintergrund kräht ein Hahn, man hört Insekten, und alle umringen ihn, als er aussteigt und dann von einem zum andren geht, um Geld zu verteilen und zu berichten, wie es den Mädchen geht. Und wie er dann zusammen mit der neunjährigen Feddah, die er vermitteln soll, aus dem Dorf wieder rausfährt, über karge Straßen, an trostlosen Landschaften vorbei, wie er gierig rauchend – wie alle Männer in diesem Film – am Steuer sitzt und das kleine Auto rücksichtslos eng von einem großen blauen Laster überholt wird und wie sie dann durch die Vororte von Tunis fahren und das kleine Mädchen nach draußen guckt und ruft: „Schau nur, wie groß die Häuser hier sind!“

Es ist nicht so sehr die Geschichte – von Omrane, der so verschlossen und traurig ist, weil er als Dienstbote damals missbraucht wurde, von Rebeh, die sich danach sehnt, dem Korsett der Männergesellschaft zu entkommen und nach Italien zu emigrieren, von Feddah, die zunächst so traurig ist und dann für ein paar Tage in Rebeh und Omrane eine Ersatzfamilie findet – es sind vor allem einzelne Szenen, die in Erinnerung bleiben: die grün-düster heruntergekommene Wohnung von Omrane oder eine längere Sequenz in einer Männerbar: Hoffnungslos und gierig rauchen die Männer und trinken. Es gibt einen Streit. Es geht um die Ehre. Zwei wollen sich prügeln. Andere gehen dazwischen. „Puppen aus Ton“ ist ein trauriger Film. In der einzigen hoffnungsfrohen Szene sieht man Rebeh mit einer Freundin Achterbahn fahren.

DETLEF KUHLBRODT

„Puppen aus Ton“. Regie: Nouri Bouzid. Mit Ahmed Hafiane, Hend Sabri u. a. Tunesien/Frankreich 2002, 90 Min. (OmU), Termine im Programmteil