in fußballland
: Wenn die Zuordnung nicht stimmt

CHRISTOPH BIERMANN über die Hartnäckigkeit des alten und die Durchsetzungsfähigkeit des neuen fußballerischen Sprachmülls

Christoph Biermann, 43, liebt Fußball und schreibt darüber

Selbst wer dem derzeit umhergespensternden Konzept vom Fengshui gegen Alltagsgerümpel skeptisch gegenübersteht, dürfte nicht in Abrede stellen, dass es eine befreiende Wirkung hat, gelegentlich überflüssige Besitztümer aus der Wohnung zu entsorgen. Da freut sich nicht nur der Altpapiercontainer, denn beim großen Entlüften tauchen gerne auch verloren geglaubte Fundstücke auf. So fand ich auf diese Weise einen mehr als 15 Jahre alten Schreibkurs dieser Zeitung wieder. „taz hilft: Aktion für Berufsanfänger“, hieß der Slogan zur siebenteiligen Unterweisung, die damals Herr Thömmes zusammengestellt hatte.

Ein wenig erstaunt war ich da schon, in seiner langen „Mach es easy“-Liste haufenweise Sprachmodule zu finden, die alle Zeitenwenden quietschfidel überstanden haben. Denn auch heute noch gibt es Wochenende für Wochenende Mannschaften, „die ihre Haut teuer verkaufen“, ohne dass uns diese Mitteilung wie eine aus dem blutrünstigsten Splatterfilm erscheint. Es gibt Knoten, die platzen, Torhüter, die „nicht über Arbeitslosigkeit klagen müssen“, und nach wie vor Tage, an denen „der Kleinste wieder einmal der Größte“ ist, die Ersten aber nicht Letzten und die Dicksten nicht die Durstigsten sind. Dieser Tage stecken auch schon wieder einige Bundesligisten „im Abstiegsstrudel“, und man muss hoffen, dass sie sich am Siphon festhalten können. Vielleicht liegt ihr „Fehlstart in die neue Saison“ auch daran, dass es ihnen bislang „schwer fällt, das Abwehrbollwerk des Gegners zu knacken“. Kein Wunder, ohne Bolzenschneider.

Ein paar Begriffe, die Herr Thömmes dereinst zu prototypischen Spielberichten zusammenbastelte, haben die Jahre jedoch nicht überstanden, nicht nur weil Thon nicht mehr „den Ton angibt“. Besonders die Bildwelt des Essens und Trinkens ist nicht mehr gefragt. Kaum mal, dass ein Schiedsrichter noch „zum Pausentee bittet“, weil es in der Halbzeit sowieso isotonische Getränke gibt. Selten ist „die Abwehr löchrig wie ein Schweizer Käse“, doch zumindest gelegentlich „riecht der Torwart den Braten“. „Kalter Kaffee“ ist offensichtlich keine Schreckensvorstellung mehr, und wer weiß, wo heutzutage „die Trauben hängen“. Jedenfalls nicht mehr „hoch“. Sind die Culinaria inzwischen etwa „von der Platte geputzt“ weil sowieso „Schmalhans Küchenmeister“ ist?

Doch „wie gewonnen, so zerronnen“ gibt es auf der Sprachmüllhalde immer wieder Neuzugänge, „die einschlagen wie eine Bombe“. Aus unerklärlichen Gründen ist etwa der Begriff „ankommen“ seit geraumer Zeit inflationär in Gebrauch. Da sind endlich Klubs in der Bundesliga, zweiten Liga oder sonst wo angekommen, Spieler kommen bei ihrem neuen Verein an oder Trainer an anderem Ort, sodass man das Gefühl hat, dass Fußball neuerdings auf dem Bahnhof gespielt wird. Derlei Ankommen produziert zudem umweglos Serien von Siegen oder zumindest Spiele ohne Niederlage, und das hat eine Folge. „Bayer Leverkusen ist nun seit 15 Spielen in Folge ungeschlagen“, sagt die Frau von der Sportschau. „In Folge wovon“, möchte man da zurückfragen, aber das geht beim Fernsehen natürlich nicht. Außerdem geht es sowieso nicht um die Folgen, es ist schließlich nur „hintereinander“ gemeint.

Die größte Verwirrung richtet jedoch die so genannte Fachsprache an. So ist zum Zauberwort und zur „Allzweckwaffe“ bei der Erklärung von Sieg und Niederlage der Begriff „Zuordnung“ aufgestiegen. Vor allem dann, wenn „die Zuordnung nicht stimmt“. Nun gibt es besagte Zuordnung eigentlich nur bei Eckbällen und Freistößen, wenn nämlich etwa die Nummer drei auf die Nummer siebzehn des Gegners aufpassen soll. Aber kaum steht mal ein Stürmer frei, raunen die Berichterstatter im Fernsehen: „Da hat wohl die Zuordnung nicht gestimmt.“ Das ist zwar Unsinn, hinterlässt inzwischen aber selbst im wirklichen Leben seine Spuren. So erklärte kürzlich mein Vater, dass die von mir so vorbildlich von Überflüssigem befreite Wohnung für ein Paar dennoch zu klein wäre. Ich solle daher eine neue suchen, denn mit einem zusätzlichen Zimmer „ist die Zuordnung besser“. Aber so gut sie auch gemeint sein mochten, erstickte ich seine Bemühungen doch im Keim, nahm das Heft in die Hand und schob seinem gut vorgetragenen Ansinnen einen Riegel vor.