Streit um Software-Patente beendet

EU-Parlament will Patente für „computergestützte Erfindungen“ einheitlich regeln. Kritiker fürchten, auf diese Weise Software-Monopolisten wie Microsoft heranzuzüchten. Befürworter sehen den Standort Europa schutzlos dem Ideenklau ausgesetzt

aus Brüssel DANIELA WEINGÄRTNER

Das EU-Parlament in Straßburg hat gestern beschlossen, Patente für computergestützte Erfindungen in der EU auf eine einheitliche Grundlage zu stellen. Reine Software-Patente wollen die Abgeordneten allerdings nicht ermöglichen. Bislang war die Rechtslage in den Mitgliedsländern unterschiedlich. Das Europäische Patentamt in München operierte quasi im rechtsfreien Raum und erteilte, wie Kritiker bemängeln, zu weit reichende Patente auf Software-Erfindungen. Da im Europäischen Patentabkommen Software ausgeklammert ist, waren die bislang 30.000 dort erteilten Patente in der Praxis nicht durchsetzbar.

Der von EU-Binnenmarkt-Kommissar Frits Bolkestein zur Abstimmung gestellte Entwurf hatte im Vorfeld wahre Glaubenskriege ausgelöst. Während Befürworter der Richtlinie den Standort Europa derzeit schutzlos dem Ideenklau ausgeliefert sehen, fürchten die Gegner US-Verhältnisse. In den USA kann auch Anwender-Software patentiert werden, was Marktführer wie Microsoft gegenüber kleinen IT-Unternehmen begünstigt.

Bolkestein warnte, ohne einheitliche Patentregeln würden die Branche verunsichert und Innovationen verhindert. Die grüne Abgeordnete und Urheberrecht-Spezialistin Mercedes Echerer argumentiert umgekehrt: Da das Europäische Patentabkommen Software von der Patentierbarkeit ausnimmt und alle EU-Staaten es unterzeichnet haben, braucht die EU keine neue Richtlinie, die mehr Probleme schafft, als sie löst.

Worum es bei dem Streit im Kern geht, zeigt schon der Name, den Befürworter und Gegner der neuen Richtlinie verpasst haben: Bolkestein und der konservative Abgeordnete Joachim Würmeling sprechen von der „Patentierung computergestützter Erfindungen“. Geschützt werden soll nach ihrer Auslegung etwa das elektronische Antiblockiersystem der Bremsanlage als Ganzes, nicht aber die Software, die für diese Anlage benötigt wird.

Gegner des Projekts wie die Grünen, die linke Fraktion und einige Sozialisten nennen das Gesetzesvorhaben dagegen kurz und bündig „Software-Patent“. Damit wird deutlich, was sie befürchten: Tritt Bolkesteins Entwurf in seiner ursprünglichen Form in Kraft, wird computergestützte Technik mit all ihren Bestandteilen durch ein Patent geschützt – und die dafür verwendete Software damit für andere Nutzer und Weiterentwickler blockiert. „Wenn Haydn auf die musikalische Form der Symphonie ein Patent angemeldet hätte, was wäre dann aus Mozart geworden?“, fragte Richard Stallman, Gründer der freien Betriebs-Software GNU, bei einer Pressekonferenz der Grünen.

Der Europäische Verband der Klein- und Mittelbetriebe ist ebenfalls gegen die Richtlinie. Auf seine Mitglieder kämen enorme Zusatzbelastungen zu, „da sie in Zukunft zu jedem Software-Projekt umfangreiche Patentrecherchen durchführen lassen müssen“. Hinzu kämen Lizenzgebühren und enorme Kosten für eigene Patentanmeldungen, um sich damit „vor gegnerischen Angriffen zu schützen“.

Mit den nun vom Parlament beschlossenen Klarstellungen werden diese Bedenken teilweise ausgeräumt. Völlig offen ist aber, ob sich der Ministerrat die Kritik der Abgeordneten zu Eigen macht oder den weit reichenden Patentschutz befürwortet.

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