Kleinstaaterei bei der Kleiderordnung

Nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts kündigen mehrere Länder ein Kopftuchverbot für Lehrerinnen an

BERLIN taz ■ Muslimische Lehrerinnen sollen auch in Zukunft in vielen Bundesländern kein Kopftuch in der Schule tragen dürfen. Das Bundesverfassungsgericht entschied gestern, ein präventives Kopftuchverbot für Lehrerinnen sei möglich, aber nur auf gesetzlicher Grundlage. Einige Bundesländer kündigten daraufhin umgehend Gesetze gegen das Kopftuch an. Vorlagen bereiten etwa die Länder Berlin, Hessen, Niedersachsen und Bayern vor. Aus Nordrhein-Westfalen dagegen waren vorsichtigere Töne zu hören: Allein das Tragen eines Kopftuches reiche nicht aus, um einer Lehrerin die Übernahme in den Schuldienst zu verweigern, erklärte NRW-Schulministerin Ute Schäfer (SPD).

Ausgelöst hatte das Verfahren die deutsch-afghanische Lehrerin Fereshta Ludin, der 1998 in Baden-Württemberg die Einstellung in den Schuldienst verwehrt worden war. Ihre Verfassungsbeschwerde hatte gestern Erfolg, das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig muss über ihren Fall nun neu entscheiden.

Baden-Württembergs Kultusministerin Annette Schavan (CDU) äußerte sich gestern zurückhaltend. Vor ihr stehe ein „hochkomplexer Abwägungsprozess“. Denn Karlsruhe hat klargestellt: Angehörige unterschiedlicher Religionsgemeinschaften müssen gleich behandelt werden. Wenn Lehrkräfte kein Kopftuch tragen dürfen, dann ist künftig auch das Kreuz an der Halskette tabu.

Die Reaktion der Muslime auf das Urteil fiel ebenso wie das der christlichen Kirchen unterschiedlich aus. Bundestagspräsident Wolfgang Thierse (SPD) nannte die Entscheidung „eigentümlich feige“. Es könnte eher reaktionäre Kräfte innerhalb des Islam ermutigen. Auch CDU/CSU-Politiker äußerten Vorbehalte. Die Grünen, die FDP und der Deutsche Gewerkschaftsbund begrüßten dagegen die Entscheidung. CHR, OES

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