berliner szenen Falsche Flashmobs

Ein schwarzes Loch

Erinnert sich noch jemand an Flashmobs? So hieß ein im Sommerloch erfundenes Spektakel, das durch demonstrative Sinnlosigkeit beeindruckte. Eine unbekannte Instanz dachte sich Ort und Zeit sowie Aktion aus; die Anweisungen wurden über Internet und SMS an ein Netz von Leuten weitergegeben. Wie zufällig trafen an x-beliebigen Orten der Stadt wildfremde Menschen zusammen und irritierten beispielsweise durch verabredeten Applaus ahnungslose Passanten.

Kürzlich aber erlebte der Flashmob eine Umkehrung: Die Teilnehmer waren die Opfer und die Passanten die Täter. Ein Konzert einer amerikanischen Pferdemusikband war angekündigt, im „Zentral“ in Mitte, Ecke Rochstraße/Dircksenstraße. Beginn: 21 Uhr. Tatsächlich ließ sich aber kein Ort namens „Zentral“ an dieser Stelle finden. Erste irritierte Mobber kreisten ums Gelände, immer diesseits der Bahnüberführung, bis sie von sich ahnungslos gebenden Passanten unweigerlich ins Kino Central an den Hackeschen Höfen geschickt wurden. Dort gab es aber nur Filme. Das Zentral in Mitte exisitierte nicht, schien eine Leerstelle, ein alles aufsaugendes Vakuum. Ein schwarzes Loch, eine Chaosquelle. Guy Debord hätte seine Freude daran gehabt. Erst nach einer Stunde fiel jemandem in dem inzwischen zur Dircksenstraße zurückgekehrten Mob ein, dass das Konzert nicht diesseits, sondern jenseits der Bahntrasse, auf der anderen Seite des S-Bahnbogens, zugänglich sei.

Der nächste Mob wird am Tag der Deutschen Einheit stattfinden, 18 Uhr im Hackbarth. Ein so genannter Slowmob: Die Teilnehmenden sollen sich längst eingefunden haben, und zwar rauchend. Ab 18 Uhr darf niemand mehr eine Zigarette anzünden, bis 19 Uhr. Und wehe, wenn doch. RENÉ HAMANN