Wissenschaft im luftleeren Raum

Fristforscher können seit dem Urteil zur Juniorprofessur Stellen einklagen und versperren so dem Nachwuchs die Zukunft

LIST/SYLT taz ■ Der Wissenschaftsstaatssekretär der Bundesregierung, Wolf-Michael Catenhusen (SPD), ist ratlos und zugleich entschlossen. „Ja“, gesteht er ein, „die Verträge für viele Wissenschaftler hängen in der Luft.“ Und das mache die Situation für Forscher, die einen befristeten Arbeitsvertrag haben, unberechenbar. Aber die Regierung will helfen: „Wir würden am liebsten nächste Woche ins Kabinett gehen und die Verhältnisse klären“, sagte Catenhusen der taz bei einer Expertentagung der GEW auf Sylt.

Das juristische Niemandsland der so genannten Fristforscher hat das Verfassungsgericht in Karlsruhe geschaffen. Es kippte nach einer Klage mehrerer Bundesländer die 5. Novelle des Hochschulrahmengesetzes, weil es dessen Regeln zur Juniorprofessur für grundgesetzwidrig hielt. Zugleich wischte es aber damit die Befristungsregeln für Forscher vom Tisch – und zerstörte damit die Vertragsgrundlagen für tausende Wissenschaftler.

Klagen sich die Betroffenen auf unbefristete Stellen, um der Schwebe zu entkommen, würden sie auf Jahre hinaus Aufstiegsstellen für Nachwuchsforscher blockieren. „Eine Katastrophe“ nennt das nicht nur der Hochschulverband, sondern das ist auch die Haltung in den Chefetagen der außeruniversitären Forschungseinrichtungen. Bereits jetzt sind 60 Prozent der Forscher auf Lebenszeitstellen. Wenn tatsächlich 20.000 Fristverträgler dazukämen, würde die „Wissenschaft als Beruf“ für die heute 20-Jährigen praktisch wegfallen.

Was auf die deutsche Forschung zukommt, ist kein theoretisches Problem. Die Juristen der Länderwissenschaftsminister geben den Fristverträglern gute Chancen für ihre Klagen. Und die Gewerkschaften Ver.di und GEW wollen ihren Mitgliedern Rechtsschutz gewähren. „Wir werden die Arbeitgeber ärgern“, sagte der GEW-Sprecher für Wissenschaftspolitik, Gerd Köhler. Er weiß einen Ausweg: Die Institute sollen sich als Arbeitgeber mit den Gewerkschaften an den Tisch setzen.

Ein Wissenschaftsanalyst sagte der taz, das Vorgehen der Gewerkschaften sei legitim. Die Forschungsinstitute hätten sich unflexibel gezeigt und viele Wissenschaftler nach 12 Jahren gekündigt. „Nun sorgen die Gewerkschaften auf ihre Weise für Beschäftigungssicherheit“, sagte Peer Pasternack vom Institut für Hochschulforschung in Halle.

Für Staatssekretär Catenhusen ist die Unsicherheit für die Fristforscher nur der Anfang einer dramatischer werdenden Situation in der Wissenschaftspolitik. Das Verfassungsgericht habe seine Position erkennbar radikalisiert und sich auf die Seite der Länder geschlagen. „Solche Denkbocksprünge wie bei Juniorprofessur und den Fristverträgen waren nicht zu erwarten“, sagte Catenhusen. Damit sei das Hochschulrahmengesetz praktisch tot.

Die Klageländer sollten die Kraft aufbringen, die Rechtsunsicherheit aus der Welt zu schaffen, so Catenhusen. Die aber – so sagte es der Wissenschaftsminister Baden-Württembergs, Peter Frankenberg (CDU) – wollen sich Zeit lassen. CHRISTIAN FÜLLER