Einer wartet, einer bleibt

Müller oder Maas – das Saarland wählt am Sonntag den Landtag. „Der Peter“ wird wohl wieder Ministerpräsident. Denn „der Heiko“ büßt für Oskar

AUS DEM SAARLAND KLAUS-PETER KLINGELSCHMITT

Sozialdemokrat möchte man nicht sein in diesen heißen Landtagswahlkampftagen; schon gar nicht an der Saar. Denn die Genossen im kleinsten Flächenland der Republik bekommen nicht nur wie alle Sozialdemokraten den Volkszorn über die Agenda 2010 im Allgemeinen und Hartz IV im Besonderen zu spüren.

Seit Oskar Lafontaine den Rücktritt von Bundeskanzler Gerhard Schröder forderte und, sollte der sich weigern, seinen Wechsel zu einer sich formierenden Linkspartei in Aussicht stellte, werden Kübel voll Hohn und Spott über Heiko Maas, den Landesvorsitzenden und Spitzenkandidaten für die Landtagswahl am Sonntag, ausgeschüttet – nicht nur vom politischen Gegner. Auch Sympathisanten der Partei fragen sich und den Spitzenkandidaten, welche Art von Sozialdemokratie denn nun im Saarland zur Wahl stehe. Die brutal gegen Berlin opponierende SPD des Oskar Lafontaine, der hier noch immer über eine Hausmacht verfügt? Oder die SPD von Heiko Maas, der moderaten Nachbesserungen der Reformen der Bundesregierung das Wort redet und deshalb zwischen allen Stühlen sitzt? Irritationen überall; auch an der Parteibasis. Als Regierungspartei auf Bundesebene jedenfalls, das steht fest, ist die SPD auch im Saarland inzwischen in etwa so beliebt wie BSE im Rinderhackfleisch.

Von einem „Dolchstoß“ Lafontaines gegen Maas war letzte Woche am SPD-Wahlkampfstand auf dem Wochenmarkt in Bildstock die Rede. Ortsvereinsvorsitzender Rolf Schultheiß (50), einst „glühender Anhänger“ von Lafontaine, würde es „sehr begrüßen“, wenn „der Oskar“ endlich die von ihm doch selbst gewählte Rolle des politischen Pensionärs annehmen und „endlich die Klappe halten“ würde. Andere aus Maas’ Umfeld werden noch deutlicher. Sie wünschen dem ehemaligen Landesvorsitzenden, Ministerpräsidenten, Bundesparteivorsitzenden und Bundesfinanzminister schlicht „die Krätze“ an den Hals.

Es regnet in Strömen in Bildstock. Das Häuflein Sozialdemokarten drängt sich unter dem roten „Sonnenschirm“. Verloren steht Maas mit einem Strauß roter Rosen im Arm auf der Treppe zum Wahlkampftourbus. Kein Wähler in Sicht, nirgends. Ein Bild mit Symbolkraft. Nur noch 30 Prozent der Wählerstimmen prophezeien die Auguren aktuell der Saar-SPD. Vor der „peinlichen Geschichte mit Lafontaine“, so die Landtagsabgeordnete Karin Lawall, waren es noch 35 Prozent. Auch zu wenig für einen Regierungswechsel; aber es wäre wenigstens ein Achtungserfolg für den jungen Maas (37) gewesen, jedenfalls im Vergleich zu den SPD-Umfragewerten anderswo. Maas sucht jetzt in den trockenen Geschäften rund um den Marktplatz das Gespräch mit den Bürgern. Und er trifft auf die immer gleichen Themen: Hartz IV, Arbeitslosigkeit, „der Oskar“. Maas verteilt seine Rosen, sagt, dass die SPD an der Saar die Reformen „im Prinzip“ zwar mittrage, dass daran vieles aber verbesserungswürdig sei. Zu Lafontaine sagt er nichts. Höflich und zurückhaltend tritt Maas auf. Das gefällt vor allem den Frauen. Maas: der ideale Schwiegersohn. Die Bildung müsse im Saarland endlich „erstklassig“ werden, sagt er noch. Und dass „Arbeitsplätze wieder Vorfahrt haben sollen“. Hören will das kaum einer. „Wir haben ein Glaubwürdigkeitsproblem“, räumt Kommunalpolitiker Schultheiß später ein. Den Menschen sei „zu oft zu viel versprochen worden; vor allem Arbeitsplätze“.

Hartz IV macht allerdings auch der Union von Ministerpräsident Peter Müller (52) zu schaffen. Mitgegangen, mitgefangen. Mitgehangen? Noch im Frühsommer wurde der CDU von den Demoskopen eine satte absolute Mehrheit von knapp 55 Prozent prognostiziert. Nach der letzten Umfrage von Ende August dürften es am Sonntag aber „nur“ noch 51 Prozent werden. Zwar sind noch 55 Prozent der Bevölkerung mit seiner Regierungsarbeit „sehr zufrieden“. Doch auch Müller hat, so wie der Bundeskanzler bei seinem Amtsantritt, den Mund zu voll genommen. 60.000 neue Arbeitsplätze wolle er schaffen, versprach er nach seinem Landtagswahlsieg 1999; tatsächlich sind es bis heute 16.000 Jobs weniger geworden. Wer aber profitiert von den – prognostizierten – geringeren Stimmenanteilen von SPD und Union? „Gänzlich unverdient die Grünen“, sagen Müller und Maas in seltener Übereinstimmung. Und ganz überraschend wohl auch die FDP. Mit 7 Prozent werden die Grünen an der Saar zurzeit von den Demoskopen gehandelt; 2 Prozentpunkte mehr als noch im Frühsommer. Die FDP tanzt auf der Fünfprozenthürde herum. Auf ihrem Landesparteitag am vergangenen Wochenende verabschiedeten die Freien Demokraten einen „Tendenzbeschluss“ zugunsten einer Koalition mit der CDU für den Fall, dass die Union am Sonntag doch nicht wieder die absolute Mehrheit der Sitze im Landtag erobert.

Der „schwarze Peter“ Müller ist inzwischen ein bisschen Kult im Saarland. Schließlich hat er sich auch „im Reich“, so nennen die Saarländer noch immer den großen Rest der Republik, einen Namen gemacht. Und wo immer er im Wahlkampf auftritt, sind die jungen Leute vom „Peter Müller Team“ (PMT) nicht weit. Sie sorgen in Partykellern und auf Straßenfesten für Stimmung bei den Jungwählern. Müller selbst gibt sich volksnah. Er „schwätzt“ Dialekt, trägt zerknitterte Anzüge und klopft gerne jovial Schultern. Auf Volksfesten hält er mit beim Essen und Trinken. Das gefällt den Saarländern. Auch im Kandidatenvergleich hat Müller also die Nase weit vorn. Und weil es eigentlich keine zündenden landespolitischen Wahlkampfthemen gibt, ist die unterschiedliche Akzeptanz der Spitzenkandidaten beim Wahlvolk an der Saar mit wahlentscheidend – mehr noch als bei den zwei Wochen später anstehenden Landtagswahlen in Brandenburg und Sachsen.

In Maas’ Umfeld machen sich die Genossen derweil mit dem Verweis auf die Zukunft Mut. In fünf Jahren schlage „die Stunde von Heiko“. Von Lafontaine spreche dann nämlich kein Mensch mehr, Hartz IV sei „gegessen“ und in Berlin regiere längst die Union. Heiko ante portas – 2009 in Saarbrücken. Und dann 2010 in Berlin? Das Saarland ist ein katholisches Land. Und auch die Sozialdemokraten dort sind gefestigt: im Glauben.