Mehr als ein „Sorry“

Eine Ausstellung in Bochum stemmt sich gegen das Vergessen der unrühmlichen Kolonialgeschichte Deutschlands in Namibia

Mit unerträglicher Grausamkeit wütete die Armee unter den „Hottentotten“

VON PETER ORTMANN

Wilhelm Diekmann hat Angst: „Ich möchte wissen, ob dieses Land für mich und meine Kinder noch eine Zukunft bietet“. Die Aussage des deutschstämmigen Rinderzüchters aus Namibia fiel bei einem Besuch von Bundesentwicklungsministerin Heidemarie Wieczorek-Zeul (SPD) bei der Gedenkfeier an den kolonialen Völkermord in dem afrikanischen Land. Die weißen Grundbesitzer fürchten in Namibia um ihr Land – Land, das sie in der Kolonialzeit der Bevölkerung abgenommen haben. Den Opfern von 30 Jahren deutscher Herrschaft widmet sich nun eine Bochumer Ausstellung.

„Wir wollen dem Verdrängen entgegen wirken“, sagt Uwe Vorberg im Bochumer soziokulturellen Zentrum Bahnhof Langendreer. Hier hängen vier Wochen lang historische Fotos über die Vernichtung der Herero, die ihren Aufstand gegen die deutschen Besatzer am 11. August 1904 mit dem Tod von über 80 Prozent ihrer Bevölkerung bezahlten. Vor 100 Jahren hieß Namibia noch Deutsch-Südwestafrika, heute gehören immer noch 90 Prozent des Landes den Weißen.

Die Ausstellung zeugt von der unerträglichen Grausamkeit, mit der die Kolonialarmee „für Gott und Kaiser“ unter den damals so genannten „Hottentotten“ wütete: Da mussten die Frauen ihren Männern das Fleisch von den abgetrennten Schädeln kratzen, damit diese sauber zur wissenschaftlichen Untersuchung nach Berlin geschickt werden konnten. Diese Beute wurde dann von den Nationalsozialisten für ihren abstrusen Rassenwahn benutzt und ist bis heute nicht an die Herero zurück gegeben worden.

Behalten haben die Kolonialherren auch bis heute das Land. „Die Umverteilung ist das wichtigste Problem in Namibia heute“, erklärt Uwe Vorberg. In keinem anderen Land seien Eigentum und Einkommen so ungleich verteilt. Den 6.000 kommerziellen Großfarmen, fast ausnahmslos in den Händen der Weißen, stehen 270.000 Kleinbauern, Landarbeiter und Landlose gegenüber. Heute gärt es in dem Land, das zwar doppelt so groß wie Deutschland ist, in dem aber gerade mal so viele Menschen wie in Hamburg leben. Die Landreform wurde aktuell ein umstrittenes Wahlkampfthema für die Präsidentschaftswahlen im November.

„Wir wollen insbesondere Lehrer von Schulen in der Region ansprechen“, sagt Dagmar Wolf vom Nord-Süd Büro im Bahnhof. Viele der Jugendlichen hätten auch von dem Sterben der Nama, die sich nach den Herero den übermächtigen Kolonialtruppen jahrelang mit einer Guerillataktik entgegen stemmten, noch nie etwas gehört. Das Deutschland Kolonialmacht war, sei bisher immer klein geredet worden. In zwei Veranstaltungen soll im September ein Schwerpunkt auf Namibia und das deutsch-afrikanische Verhältnis gesetzt werden. „Als Rechtsnachfolgerin des Deutschen Reiches darf sich die Bundesrepublik ihrer Verantwortung für die kolonialen Verbrechen nicht länger entziehen“, heißt es da. „Es geht um die Ausgleichszahlungen und Umverteilung des Bodens“, sagt Dagmar Wolf. Die historische Entschuldigung von Wieczorek-Zeul in Namibia reiche da nicht aus.

Die Ausstellung im Bahnhof beruht auf einem Konzept des Bochumer Reinhard Kößler, der die historischen Fotos für die Ausstellung „Der erste Genozid im 20. Jahrhundert“ im japanischen Museum für Weltfrieden in Kyoto zusammen gestellt hat.