Kölnerin demontiert männerorientierte Historie

Irene Franken, Historikerin und Mitbegründerin des Kölner Frauengeschichtsvereins, erhält heute für jahrzehntelanges feministisches Engagement den „Inge-von-Bönninghausen-Preis“. Die Preisträgerin hat es sich zur Aufgabe gemacht, vergessene und verdrängte Frauengeschichte sichtbar zu machen

Von Brigitte Maser

„Früher dachten wir, es gäbe nur die Geschichte der Frauen. Heute weiß ich, es gibt nur Geschichten von einzelnen Gruppen und Frauen in bestimmten Positionen, die aufgearbeitet werden müssen“, beschreibt Irene Franken ihr über die Jahre verändertes Geschichtsbewusstsein. Seit die Historikerin und Autorin 1987 den Kölner Frauengeschichtsverein mitbegründete, kommt in der Stadt viel vergessene und verdrängte Frauengeschichte ans Licht.

Mit einer Stadtrundfahrt von Frauen für Frauen machten sie und die Pädagogin Edith Kiesewalter erstmals 1985 die Leerstellen in der Frauengeschichte sichtbar. Ihr vorrangiges Ziel war, die männerorientierte Historie zu demontieren, um einen anderen, feministischen Blick auf die Geschichte der Stadt zu werfen.

Heute wird Irene Franken von der feministischen Initiative „Sternschnuppe“ der „Inge-von-Bönninghausen-Preis“ für ihr Lebenswerk verliehen. Eine Auszeichnung, die für Zivilcourage, Unbestechlichkeit und feministisches Engagement steht. Der Preis wird seit 1998 alle zwei Jahre an eine Frau, eine Gruppe oder an ein Frauenprojekt in NRW verliehen, die sich in ihrem Engagement besonders für Frauen hervorgetan haben. „Wir wollen mit dem Preis dieses Mal Irene Franken ehren, die sich seit Jahren kritisch und engagiert dafür einsetzt, dass sich Frauen ihrer Geschichte und ihrer Identität bewusst werden“, sagt Frauke Mahr von Sternschnuppe.

Dem Einsatz von Inge Franken und des Frauengeschichtsvereins Köln ist es zu verdanken, dass heute auf dem restaurierten Rathausturm nicht nur männliche Geschichte abgebildet wird. Auf ihr Wissen verließen sich 1987 die Grünen im Rat und später alle Ratsfrauen. Sie beauftragten Irene Franken, Vorschläge für die weibliche Präsenz auf dem Turm zu machen. Das hieß für sie, jede einzelne Frauenfigur gegen geschichtliche Ignoranz und Arroganz im Rat zu verteidigen, denn von städtischer Seite wurden ganze fünf Frauen vorgeschlagen. Seit 1988 schmücken den Turm nun 106 männliche und 18 weibliche RepräsentantInnen der Stadtgeschichte aus den verschiedenen Jahrhunderten und Wirkungsbereichen.

Um das Stadtsäckel nicht zu sehr zu strapazieren und Frauengeschichte dennoch zu erweitern, sammelte der Frauengeschichtsverein Gelder für die Figur der Anna Maria van Schürman, ein laut Frauengeschichtsverein in Köln geborenes „Universalgenie“ aus dem 17. Jahrhundert. 1991 konnte die Figur der Stadt feierlich überreicht werden. Sie ziert heute den Rathausturm. Ein weiterer Erfolg: Das Kölner Seidenmachergässchen wurde auf Betreiben des Frauengeschichtsvereins der mittelalterlichen Berufsrealität entsprechend in Seidenmacherinnengässchen umbenannt.

Was früher etwas Besonderes war, ist heute selbstverständlich: Vergessene und verdrängte Frauengeschichte wird durch ausschließlich für Frauen organisierte Stadtrundgänge, Schifffahrten und bei Führungen auf dem Melatenfriedhof sichtbar. Ein spezielles Angebot hält der Frauengeschichtsverein für Lesben bereit. „Diese besonderen Führungen sollen die geschichtliche Identität lesbischer Frauen in Köln stärken“, sagt Irene Franken. Die Wissenschaftlerin betont aber gleichzeitig, dass es nicht nur eine Frauenidentität gibt. Ihrer Ansicht nach werden Frauen auch durch unterschiedliche kulturelle und biographische Hintergründe bestimmt. Wenn sie sich dessen bewusst würden, könnten sie die immer noch stark männlich geprägte Geschichtsschreibung besser hinterfragen und beeinflussen. „Ich empfinde den Preis als Auszeichnung und Anerkennung meiner Arbeit und dass historische Frauenforschung trotz vieler Widrigkeiten positiv gesehen wird“, fühlt sich Irene Franken geehrt. „Und das spornt mich an weiterzumachen.“