Jugendvollzug hängt in der Luft

Diskussion über die Verlegung jugendlicher Straftäter nach Hameln – immer noch keine Entscheidung

Bremen taz ■ Er mischt überall mit, nur in seinem eigenen Justizressort versäumt es Regierungschef Henning Scherf (SPD), ab und an mal ein Machtwort zu sprechen.

Zum Beispiel zum Thema Jugendstrafvollzug: Monatelang hatte Scherfs Staatsrat Ulrich Mäurer daran festgehalten, dass die in Bremen inhaftierten Jugendlichen zukünftig im niedersächsischen Hameln ihre Strafen absitzen sollen, obwohl sämtliche Experten das als fachlichen und finanziellen Irrsinn kritisiert hatten. Obwohl Mäurer deren Argumente nach wie vor nicht nachvollziehen kann, will er sich jetzt nicht mehr darauf festlegen, dass der Umzug tatsächlich stattfindet. Jedenfalls nicht, wenn die versammelten Fachleute Bremens in einer öffentlichen Veranstaltung vor ihm sitzen. „Nicht übers Knie brechen“ möchte er die Entscheidung, sagte er am Mittwochabend bei einer Podiumsdiskussion im Landgericht. Dabei hätten die Verhandlungen mit Niedersachsen bis Ende Juni abgeschlossen sein sollen – so hatten es die Justizpolitiker der großen Koalition vor einigen Monaten gefordert. Doch offensichtlich fordern die immer noch mehr Geld als Bremen zahlen kann.

Zu der Diskussion eingeladen hatte die Deutsche Vereinigung für Jugendgerichte und Jugendgerichtshilfen, die sich von der Veranstaltung eine „konsensuale Weiterentwicklung unter Einbeziehung unterschiedlichster Expertenmeinungen“ erhoffte. Doch von Konsens war wenig zu spüren: So wurden die Vorträge der Experten untereinander immer wieder mit Kopfschütteln und verächtlichen Blicken gestraft. Besonders die Aussagen von Staatsrat Mäurer riefen lautstarke Proteste hervor. Dieser betonte erneut, dass der Umzug in den Erwachsenen-Knast Oslebshausen nur eine Übergangslösung sei. Diese war notwendig geworden, weil die Justizvollzugsanstalt Blockland geschlossen worden war, bevor eine Vereinbarung für die Jugendlichen auf dem Tisch gelegen hatte. „Es wird weiterhin auch eine Möglichkeit außerhalb Bremens gesucht“, sagte Mäurer, ohne sich in irgendeiner Weise festzulegen.

Das Publikum, überwiegend Fachleute, ging Mäurer dafür hart an. „Seit Jahren hören Sie sich charmant grinsend unsere Meinung an, aber ich habe immer das Gefühl, wir reden gegen eine Wand“, pöbelte ein Zuhörer.

Schon mit dem Umzug nach Oslebshausen wurde die Eigenständigkeit des Jugendvollzugs aufgegeben, so Bernward Garthaus, Jugendrichter und Vollstreckungsleiter. Es müsse in jedem Fall eine räumliche Trennung zwischen jugendlichen und erwachsenen Straftätern geben. „Hameln ist keine Lösung, die regionale Verschiebung wäre ein erneuter Rückschritt“, sagte Garthaus. 600 bis 700 Inhaftierte befänden sich zur Zeit in der JVA Hameln, schätzte der Jugendrichter. Mit weiteren 60 Jugendlichen aus Bremen sei eine angemessene Betreuung nicht mehr möglich.

Neben Garthaus erhielt vor allem Erich Joester, Rechtsanwalt und Präsident der Bremischen Rechtsanwaltskammer, besonders große Zustimmung. „Der Aufenthalt würde den Hass der Jugendlichen nur noch steigern, die Explosion, die dann stattfinden könnte, will ich mir gar nicht vorstellen“, so Joester. Auch sei es nicht sinnvoll, dass bei einem Umzug des Strafvollzugs nach Hameln die Untersuchungshaft und die Entlassungsvorbereitung in Bremen bleiben würden: Damit wäre der eigentliche Aufenthalt in Hameln so kurz, dass die Jugendlichen dann nur hin- und hergeschickt würden, kritisierte Joester.

„Eine künstliche Verlängerung der Haftzeit, damit sich der Aufenthalt erst lohnt, kann doch nicht das Ziel dieser Maßnahme sein“, ergänzte Barbara Hellbach, Referentin beim Jugendsenator für Hilfen zur Erziehung. Das Ziel sei die Integration der Jugendlichen zurück in die Gesellschaft nach ihrem Knastaufenthalt, Hameln sei da als Großeinrichtung die falsche Lösung.

Doch eine Alternative hatten die Fachleute jedoch auch nicht parat. Neubau oder die Rückkehr ins Blockland – beides äußerst unwahrscheinliche Möglichkeiten. Einig waren sich die Beteiligten nur darin: Es muss endlich eine Entscheidung her. Und zwar so schnell wie möglich.

E. Hoffmann
/ E. Bruhn