Denn sie wissen nicht, was sie wollen

Im Bund wollen SPDler Hartz ändern, die Grünen dagegen nicht. In Berlin ist es umgekehrt. Kaum weniger Arbeitslose

SPD und Grüne geben in der Landespolitik derzeit ein Gegenbild ihrer Bundesebenen ab. Während die Berliner Grünen auf Änderungen bei Hartz IV drängen, fahren ihre Parteifreunde auf Bundesebene die harte Linie und bügeln änderungswillige SPD-Linke ab. Das alles geschieht vor dem Hintergrund der neuen Arbeitslosenzahlen. Statt deutlicher Entspannung gibt es in Berlin lediglich einen leichten Rückgang der Quote.

Im Abgeordnetenhaus hatten sich in der vergangenen Woche SPD, CDU und Grüne grundsätzlich hinter die nach dem VW-Personalvorstand Peter Hartz benannte Reform gestellt. Die PDS lehnte ab, die FDP begründete eine Enthaltung mit „handwerklichen Fehlern“.

Im Detail aber ruft Grünen-Fraktionschefin Sibyll Klotz nach Änderungen. Gestern erneuerte sie ihre Forderungen, bei der Alterversorgung nachzubessern, das Partnereinkommen weniger zu belasten und die Zuverdienstmöglichkeiten – nicht zu verwechseln mit den Ein-Euro-Jobs – zu erweitern. Diese Änderungen sollen aber notfalls im laufenden Betrieb passieren, eine Verschiebung lehnt Klotz ab.

In der Berliner SPD-Spitze gibt es laut Parteisprecher Hannes Hönemann zwar Diskussionen, aber keine aktuellen Forderungen, nachzubessern. Im Bund hingegen sind es die SPD-Linken wie Ottmar Schreiner und Sigrid Skarpelis-Sperk, die nach Änderungen rufen. Dass Wirtschaftsminister Wolfgang Clement (SPD) sich dagegen wehrt, war zu erwarten. Nicht weniger vehement aber widersprach die Chefin der grünen Bundestagsfraktion, Krista Sager. „An dem Gesetz selber werden wir nichts verändern“, sagte sie gestern.

In den fast zeitgleich vorgelegten neuen Arbeitslosenzahlen für August macht sich das Ferienende wenig bemerkbar. Die Quote sank in der Hauptstadt lediglich um einen Zehntelprozentpunkt von 17,7 auf 17,6 Prozent, den gleichen Wert wie im Juni. Gegenüber August 2003 fällt der Vergleich besser aus: Damals lag die Quote bei 18 Prozent. Damit ist etwa jeder elfte Berliner arbeitslos gemeldet. In absoluten Zahlen ausgedrückt gab es im August 297.719 Arbeitslose, 2.153 weniger als im Juli.

Zwei Festellungen sind besonders besorgniseregend: Die Zahl der Arbeitslosen unter 25 steigt, und weiterhin haben über 40 Prozent der Arbeitslosen seit über einem Jahr keinen Job und gelten damit als langzeitsarbeitslos. Zu den fast 10.000 Jugendlichen, die noch einen Ausbildungsplatz suchen, verwies Berlins Arbeitsstaatssekretärin Susanne Ahlers auf zusätzliche öffentliche geförderte Angebote. „Dennoch bleiben zuallererst die Unternehmen in der Pflicht, den Nachwuchs selbst auszubilden“, sagte Ahlers. Das dürften sie nicht staatlich finanzierten Programmen überlassen.STEFAN ALBERTI