mit jammer und sichel von WIGLAF DROSTE
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Immer wieder ist zu hören, dass die Deutschen von morgens bis abends ausschließlich jammern. Bevorzugt gipfelt dieser Vorwurf in der Anklage, es handele sich um ein „Jammern auf hohem Niveau“. Ich verstehe die Anklage nicht – was ist denn auf einmal gegen hohes Niveau zu sagen? Hohes Niveau ist doch prima, oder? Nein – wenn einer schon jammert, dann bitte ausschließlich auf hohem Niveau.

Oder muss man erst verdurstend im Rinnstein liegen, um sagen zu dürfen, dass einem die gesellschaftlichen Verhältnisse und ihre fadenscheinigen Propagandisten nicht angenehm sind? Das Gegenteil ist richtig: Wer ohne Sorge ist, sich und die Seinen mit allem auszustatten, was für ein gutes Leben taugt, der kann auch am besten gegen die Napfköpfe sprechen, die Grundselbstständigkeiten in den Rang hedonistischer Privilegien erheben wollen. Hedonismus ist gut, wenn er für alle zugänglich ist. Dass in diesem Land sehr viele individualpsychologisch zu eng, verbissen und verbohrt sind, um ein schönes Leben zu führen, ist so betrüblich wie wahr – gibt aber keiner gesellschaftlichen Kraft das Recht, ihnen von oben herab das Grundrecht auf Pursuit of Happyness und Dolce Vita abzusprechen.

Der Vorwurf des Jammerns ist die reine Infamie. Er wird vorgebracht von Leuten, die denjenigen Klassenkampf führen, der noch immer gewonnen hat, den von oben nach unten. Was heißt denn Jammern? Wenn man sich gegen ein Gesellschaftssystem stellt, in dem nach der Methode McKinsey darüber entschieden wird, wer ein Recht darauf hat, sich völlig normal seinen Lebensunterhalt zu verdienen, dann jammert man nicht. Dann ist man bei Verstand, dann ist man ein Mensch.

Mein erfreulich ungeringes Aggressionspotenzial reicht nicht aus für die Schmierlappen, die vom Jammern reden und damit meinen, Millionen Menschen sollten sich klag- und widerstandslos in die Gosse stoßen lassen, die Stinktiere wie Henkel, Hundt, Clement, Schröder, olle Münte, Westerwelle, Merkel, Merz, Meyer, Köhler und ihre Journalisten ihnen zugedacht haben.

Die Deutschen, die ich kenne, jammern überhaupt nicht. Sie sehen, was mit ihnen geplant ist, und sie sagen, dass ihnen das nicht passt. Sie haben erstaunlich viel Humor, und deshalb können sie auch kämpfen – also nicht „schreiten Seit an Seit“, wie die ekelhafte SPD gern sentimental herumflennt, um bei Debilen noch ein paar Restpunkte einzusammeln. Es ist dieselbe Partei, die ab Januar 2005 Sozialämter polizeilich bewachen lassen wird, weil sie weiß, was sie tut.

Jammern? Die Deutschen sind traditionell hoch zuverlässig, wenn es gilt, verschwitzte, gesinnungseklige Opportunisten und Feiglinge herzustellen. Wenn ein paartausend Handvoll von ihnen ausnahmsweise zumindest einen Schritt von diesem Wege tun, kann ich darin nichts Unangenehmeres erkennen als das, was ich vorher von ihnen wusste. Die Politiker und die ihnen zugehörigen Medienfittis, die um ihr Recht auf Restwürde zu kämpfen beginnende Menschen als jämmerlich denunzieren, sind die einzigen Jammerlappen, die ich hier sehen kann.

Denen an den Kragen gehn, / möcht’ ich Menschen wagen sehn.