Kampf gegen Kinderarbeit gefährdet

In Bangladesch haben sich die Arbeitsbedingungen in der Textilindustrie in den letzten Jahren verbessert. Doch nun fürchtet das Land, dass die Billigkonkurrenz aus China, Pakistan und Indien diese Erfolge wieder zunichte macht

BERLIN taz ■ Bangladesch hat in den letzten acht Jahren die Kinderarbeit in der Bekleidungsindustrie mühsam, aber erfolgreich bekämpft. Doch die Erfolge Bangladeschs – einem der ärmsten Länder Asiens – in dem wichtigesten Wirtschaftszweig drohen zu bröckeln, so der Tenor von Wissenschaftlern, Industriellen und Staatsvertretern auf den Abschlusskonferenz der Asien-Pazifik-Wochen gestern in Berlin. Der Grund: Mit dem Ende des Multifaserabkommens im Dezember 2004 und der Öffnung der Märkte fällt für Bangladesch der zollfreie Marktzugang in die Westmärkte ohne Quotenbeschränkung – und damit ein wichtiger Wettbewerbsschutz vor Konkurrenten aus China, Indien und Pakistan. Als Folge, so die Befürchtungen, könnten die bangladeschischen Textilhersteller die Sozialstandards wieder absenken.

„Wir arbeiten seit den Achtzigerjahren mit bewährten Bekleidungsfirmen in Bangladesch zusammen – und halten an ihnen fest“, sagte Ingrid Schulström, Sprecherin vom Jungmodegiganten Hennes und Mauritz (H & M). Der schwedische Modekonzern ist einer der wichtigsten Abnehmer von Textilien. H & M überwacht die Einhaltung der Arbeitsverhältnisse vor Ort. „Vier Mitarbeiter aus unserem Hause prüfen ständig die Bedingungen in den Firmen“, so Schulström. Doch die Arbeitzeiten seien mit teilweise weit über zehn Stunden immer noch lang. Seit Mitte der Neunzigerjahre würde die Kinderarbeit eingeschränkt, stärker auf die Sicherheit bei der Arbeit geachtet, die Mindestlöhne auch tatsächlich an die Menschen gezahlt. „Es bleibt aber noch viel zu tun“, urteilte Schulström.

Zwar kommen westliche Modehändler wie H & M mit den Kontrollen den Erwartungen kritischer Konsumenten entgegen. Doch die Fortschritte in den bangladeschischen Textilfirmen lösen das Problem der Kinderarbeit nicht, meint Pratima Paul-Majumder vom Bangladesh Institute for Development Studies. Jugendliche, die einen Job mit kürzeren Arbeitszeiten und weniger harten Bedingungen angenommen haben, gehen nebenher nicht zur Schule, wie von den Entwicklungsprogrammen gefordert. Stattdessen nehmen sie wegen ihrer Armut gefährlichere Jobs an, zum Beispiel in der Baubranche. Deshalb stellt die Wissenschaftlerin nüchtern fest: „Bangladesch kommt ohne Kinderarbeit nicht aus. Die gewünschten Standards sind dort nicht zu realisieren. Deshalb müssen wir zuerst die Armut bekämpfen und dann das Arbeits- und Bildungssystem stärker verbinden.“

Die Bekleidungsindustrie ist der wichtigste Wirtschaftszweig in Bangladesch. Rund 2,5 Millionen Menschen arbeiten in dieser Branche, vor allem Mädchen. Sie stammen vom Land und sind nicht gut für andere Tätigkeiten ausgebildet. Experten befürchten einen schweren Rückschlag für die Bekämpfung der Armut, wenn dieser Industriezweig zusammenbrechen würde.

ADALBERT SINIAWSKI