Rette sich, wer kann

Die UN-Mission in Bagdad steht vor dem Abbruch: Sicherheitsgremien der Organisation empfehlen Kofi Annan den Abzug der UN-Vertreter aus dem Irak

aus Genf ANDREAS ZUMACH

Nach den zwei schweren Anschlägen auf das UN-Hauptquartier in Bagdad zieht die Weltorganisation die Konsequenzen und bereitet den vollständigen Abbruch ihrer Irak-Mission vor. Am 19. August waren durch eine Autobombe 24 UN-Angestellte getötet und über 100 schwer verletzt worden. Am Montagmorgen dieser Woche explodierte erneut eine Autobombe vor dem UN-Gebäude in der irakischen Hauptstadt. Danach trat dort das zuständige „Sicherheitsmanagement-Team“ zusammen. Dem Team gehören neben Beamten der UNO-Sicherheitskoordination (Unsecoord) Vertreter des 1991 nach dem zweiten Golfkrieg etablierten „UNO-Programms für Irak“ (OIP) an sowie MitarbeiterInnen aller im Irak tätigen humanitären Organistionen der UNO (neben dem WFP derzeit u. a. Unicef und WHO).

Die TeilnehmerInnen der Sitzung waren sich einig, dass sich die Sicherheitslage deutlich verschlechtert habe. Der Sicherheitsausschuss des Generalsekretariats in New York unter Leitung der stellvertretenden Generalsekretärin Louise Fréchette beschäftigte sich seit Dienstag auf drei Sitzungen mit den Empfehlungen des SMT und folgte schließlich dessen Einschätzung. Die internationalen UNO-MitarbeiterInnen im Lande sollen vollständig abgezogen und die irakischen Lokalangestellten mit zweiwöchiger Lohnfortzahlung nach Hause entlassen werden, empfahlen die Sicherheitsgremien UN-Generalsekretär Kofi Annan. Die vertraulichen Sitzungsprotokolle liegen der taz vor. Die stärksten Bedenken gegen eine Einstellung der Arbeit kamen vom Welternährungsprogramm (WFP), dessen Aufgabe die Versorgung bedürftiger Teile der irakischen Bevölkerung mit Lebensmitteln ist.

Nach dem Anschlag vom 19. August war bereits „Phase 4“ des fünfstufigen UNO-internen Sicherheitsmaßnahmen-Katalogs angeordnet worden. Seitdem ist die Zahl der im Irak tätigen internationalen MitarbeiterInnen von 600 auf unter 50 gesunken; die operativen Tätigkeiten im Lande wurden deutlich eingeschränkt; der Schutz der Bagdader UNO-Zentrale durch US-Soldaten und irakische Polizisten wurde erheblich verstärkt.

Doch nach dem Anschlag vom Montag, bei dem ein irakischer Wachmann getötet wurde, zogen die irakischen Polizisten ab. Auch zivile Firmen, die unter anderem mit dem Wiederaufbau der am 19. August zerstörten Gebäudeteile beschäftigt waren, stellten ihre Arbeit ein.

Der Vertreter von Unsecoord verwies bei der SMT-Sitzung in Bagdad auf eine wachsende Gefährdung von UN-Flugzeugen und Hubschraubern durch Boden-Luft-Raketen. Bei einem bislang von der UNO geheim gehaltenen und noch nicht völlig aufgeklärten Zwischenfall Ende letzter Woche war ein UN-Frachtflugzeug beim Start mit einer Rakete beschossen worden, die ihr Ziel allerdings verfehlte.

Unter den TeilnehmerInnen der SMT-Sitzung herrschte Konsens, dass sich die Sicherheitslage „in allen Regionen des Landes“ deutlich verschlechtert habe. Zudem sei die Gefährdung für die derzeit noch rund 400 irakischen Lokalangestellten der UNO im Irak „genauso groß“ wie für die verbliebenen knapp 50 internationalen MitarbeiterInnen.

Nach anfänglichen Bedenken des Welternährungsprogramms einigte sich das SMT schließlich im Konsens auf die Empfehlung zur Ausrufung von „Sicherheitsphase 5“ – was den vollständigen Abbruch der Mission meint. Der Vertreter des „UNO-Programms für Irak“ (OIP) vertrat sogar die Ansicht, der Abbruch der Mission hätte schon früher erfolgen sollen. Offen ließ das SMT lediglich die Option, eine höchstens 20 Personen umfassende UNO-Mission im Irak zu belassen, um „symbolische Präsenz zu markieren und den Kontakt mit dem anglo-amerikanischen Besatzungsregime, dem Irakischen Gouverneursrat und mit Nichtregierungsorganisationen aufrechtzuerhalten“.