grüne außenpolitik
: Feigheit vor dem Freund

Die Grünen haben ein Luxusproblem: Es geht ihnen so gut, dass die anderen Parteien neidisch werden. Vor allem die Sozialdemokraten schauen mit unverhohlener Missgunst auf den Erfolg des kleinen Partners. Während sich die große Volkspartei abrackert, übt sich die kleine Partei der Besserverdienenden in Gelassenheit. Zu Recht – denn dass die Grünen vom Unmut über die Sozial- und Arbeitsmarktreformen nur wenig spüren, ist nicht das Ergebnis grüner Mutlosigkeit. Im Gegenteil.

KOMMENTARVON LUKAS WALLRAFF

Es ist Unsinn, wenn die SPD behauptet, die Ökopaxe machten es sich leicht und täten so, als hätten sie mit Hartz und seinen Härten nichts zu tun. Die Grünen haben von Anfang keinen Zweifel daran gelassen, dass sie Kürzungen bei den Sozialleistungen und Steuersenkungen für die Reichen wollten. Auch jetzt fordern sie nicht weniger, sondern mehr Mut zu Reformen, wie etwa bei der Pflege. Und, was wohl am wichtigsten ist: Sie tun das nahezu geschlossen. Im Gegensatz zur SPD gibt es bei den Grünen kaum einen Landtagswahlkämpfer, der über „die in Berlin“ schimpft.

Es gibt im Bundestag auch so gut wie keine linken Grünen mehr, die noch Änderungen an Hartz IV fordern. Dass es bei den Grünen kaum ein Gegengewicht zu den Realissimos an der Spitze gibt, bedauern all jene zu Recht, die sich von Rot-Grün eine andere Verteilungspolitik wünschten. Die große Mehrheit der Grünen-Wähler dagegen hält den eingeschlagenen Kurs für richtig. Und zwar nicht nur, weil sie dickere Geldbeutel haben. Sondern weil die Reformpolitik der Grünen insgesamt konsequent und damit glaubwürdig wirkt.

Die grüne Gelassenheit ist also nachvollziehbar. Nur an einem Punkt nicht: Die Zurückhaltung des grünen Außenministers und der meisten seiner Parteifreunde bei der Bewertung der russischen Tschetschenienpolitik wird sich noch rächen. Wer es nicht wagt, den Kanzler für seine Kumpanei mit Wladimir Putin deutlich zu kritisieren, wer die Wahlen in Tschetschenien erst auf Nachfrage problematisiert, lässt genau das vermissen, wofür sich die Grünen in der Reformpolitik durchaus zu Recht rühmen: Standhaftigkeit und Mut. Die Sozialreformen mögen sie erklären können, die opportunistische Nachsicht gegenüber dem Duo Schröder/Putin nicht. Doch wenn sie auf einem ihrer Kerngebiete, den Menschenrechten, schwächeln, bekommen sie ein ernsthaftes Problem. Und zwar zu Recht.

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