Roter Egotripper gegen Leuchtturmgegner

Die Serie zur NRW-Kommunalwahl am 26. September. Heute: Ein Hengst versucht den Sprung ins rote Rathaus

Dortmund?Je nach Lesart östlichste Stadt des Ruhrgebiets oder westlichste Stadt Ostwestfalens. 590.000 Einwohner, 14 Prozent Arbeitslosigkeit. Nicht mehr Bier- und Stahlstadt, noch nicht High-Tech-Zentrum. Reich im Süden, arm im Norden, langweilig mittendrin. Wird zum Glück nicht von den Managern seines Fußballklubs regiert. Wer hat was zu verlieren?In ihrer Herzkammer müssen die Sozialdemokraten zittern. Im Frühjahr hat Oberbürgermeister Gerhard Langemeyer (SPD) als Reaktion auf die Pleite in Hamburg leicht panisch die Zusammenarbeit mit den Grünen aufgekündigt – gemeinsam hatte man eine Stimme Mehrheit im Rat. Jetzt hofft er auf „Rot pur“.Wer regiert im Rathaus?Kunsthistoriker Langemeyer, 60, setzt auf Psychologie. Mit dem Mief des Ruhrgebiets will er nichts zu tun haben und sieht das „neue Dortmund“ als westfälisches Mittelzentrum. Damit hat er sogar Erfolg, die Wirtschaftsförderung des mit den Beratern von McKinsey initiierten „dortmund projects“ funktioniert besser als bei den Nachbarn, die vom „Dortmunder Modell“ des Strukturwandels schwärmen. Ansonsten will er umstrittene Seen buddeln (Phönix) und Leuchttürme bauen (3do am Hauptbahnhof). Wer will da rein?Frank Hengstenberg, 35, Postmanager. Der bullige CDU-Mann trägt seit siebzehn Jahren Mittelscheitel, mag Bewährtes. Gibt sich als mitfühlender Konservativer, will die städtischen Betriebe nicht privatisieren und den Kündigungsschutz behalten. Seine Unterhosen möchte er nicht in luftiger Höhe über dem Bahnhof kaufen, auch Langemeyers andere Leuchtturmprojekte mag er nicht. Auch in den Rat wollen: PDS, Linkes Bündnis, Unternehmerinitiative und Bürgerliste.Und wer hat die schönsten Wahlplakate?Die Werbestrategen der großen Parteien sollten entlassen werden. Langemeyer posiert wie ein 80er-Jahre-Yuppie mit Jackett über der Schulter. Sein Slogan „Wählen und gewinnen“ hätte besser zu einer Lottogesellschaft gepasst. Die CDU hat ihrem Kandidaten das halbe Gesicht abgeschnitten. Ein Strichmännchen auf Ecstasy konterkariert den Slogan „Ehrlich, Tatkräftig, Zuverlässig.“Die taz-Prognose?Nach Umfragen macht Langemeyer das Rennen. Im Rat muss er hoffen, die Grünen nicht so sehr verprellt zu haben, dass sie nicht mehr mit ihm arbeiten wollen. Wenn es für die SPD nicht einmal in ihrer eigenen Herzkammer reicht, kann sie einpacken. KLAUS JANSEN