Ringen um Rabatte

Nach drastischen Mittelkürzungen kämpft die Volkshochschule um ihr Leitbild. Bleiben nur Angebote für Gutbetuchte? Direktorin Sabine Schlüter über die Folgen der Sparwut und das Herbstprogramm

Interview: Eva Weikert

taz: Die Bildungsbehörde hat angekündigt, der VHS ein Drittel der städtischen Zuwendungen ab 2005 zu streichen. Unter anderem soll der Zuschuss für rabattierte Bildungsangebote wegfallen. Wie wollen Sie das kompensieren oder können Sie Ihr Haus gleich dicht machen?

Sabine Schlüter: Nein, auf keinen Fall. Es wird mit Sicherheit weiterhin eine Hamburger Volkshochschule geben. Alle müssen sparen, auch die VHS. Dass es uns so hart trifft, ist schwer zu verkraften. Aber wir klären jetzt mit der Behörde in einer gemeinsamen Arbeitsgruppe, welche Subventionen für welche Arbeiten der Volkshochschule die Behörde künftig noch trägt. Im Dezember wollen wir ein Ergebnis haben. Ob das rechtzeitig ist, wird sich zeigen. Schließlich soll der Haushalt 2005/2006 im Dezember von der Bürgerschaft beschlossen werden. Dass die Preise für die Kurse so bleiben, ist aber eher unwahrscheinlich.

Außer den Ermäßigungen etwa für Arbeitslose und Studierende soll das VHS-Angebot an benachteiligte Jugendliche, den Hauptschulabschluss nachzuholen, wegfallen. Was bleibt, ist also eine VHS für Gutbetuchte?

Wenn man die Behördenpläne eins zu eins umsetzen würde, dann müsste man einräumen, dass sich unser Leitbild ändert von dem Motto „Bildung für alle“ hin zu „Bildung für alle, die es sich noch leisten können“. Das wollen wir aber nicht.

Wie wollen Sie das verhindern?

Dazu wurde die Arbeitsgruppe eingesetzt. Sie soll erarbeiten, wie die Ersparnisse ohne solche Härten umgesetzt werden können. Ich hoffe auch nach wie vor, dass es möglich ist, mit der Behörde über die Hauptschulkurse zu sprechen. Um diese wie um die Rabatte wollen wir ringen. Ich muss aber offen zugeben, dass ich gerade um die Schulkurse große Sorge habe. Denn die Behörde hat uns jetzt schon gesagt, dass wir ab sofort keine neuen Kurse eröffnen sollen.

Warum ist Ihnen das Angebot des Hauptschulabschlusses so wichtig?

Fiele es weg, wäre die Hamburger VHS bundesweit die einzige, an der Schulabschlüsse nicht mehr möglich sind. Dabei wissen wir doch, dass jedes Jahr mehr junge Menschen ohne Abschluss von den Regelschulen kommen. Das Problem wird nicht kleiner, vielmehr steigt die Abbrecherquote. Und Hamburg belegt in dieser Skala ja einen traurigen Spitzenplatz. Es ist eines der Länder mit der höchsten Schulabbrecherquote. Vor diesem Hintergrund gibt es aus unserer Sicht noch Diskussionsbedarf. Dass der Bereich aber möglicherweise kostengünstiger organisiert werden muss, davor kann sich die VHS nicht verschließen.

Das neue Herbst-/Wintersemester der VHS beginnt. Gibt es noch ermäßigte Kurse?

Die alten Ermäßigungen gelten nach wie vor. Der überwiegende Teil, also etwa 80 Prozent der 3.000 jetzt startenden Kurse, ist rabattiert.

Welchen Themenschwerpunkt gibt es im Winter?

Wir haben eine ganze Reihe von Highlights. Ich möchte auf eine Besonderheit in Bergedorf hinweisen. Dort bieten wir zusammen mit der VHS Reinbek ein länderübergeifendes Angebot an. Das ist eine große Reihe zum Thema USA unter dem Motto: „I believe(d) in America!?“ Bei diesem Angebot geht es darum, sich mit dem Verhältnis der Deutschen zu den Vereinigten Staaten zu beschäftigen, aber auch mit den kulturellen Eigenheiten der US-amerikanischen Gesellschaft und mit ihrer Sprache.

Gibt es einen aktuellen Anlass für dieses Thema?

Ein Anlass sind die anstehenden Präsidentschaftswahlen in den Vereinigten Staaten. Dazu gibt es unter anderem einen Diskussionsabend. Aber auch der Irakkrieg wird Thema sein. Wir glauben, dass es viele Menschen gibt, die ein durchaus emotionales Verhältnis zu den Vereinigten Staaten haben. Und täglich erfahren wir aus den Medien, dass wir von der amerikanischen Politik selbst betroffen sind. Die Volkshochschule will darum einen Ort schaffen, wo Bürgerinnen und Bürger miteinander und mit fachkundigen Experten über Amerika und die amerikanische Politik etwas erfahren können.

Welche Neuenheiten haben Sie sonst im Warenkorb?

Neben der Amerika-Reihe gibt es weitere Schwerpunkte, etwa das Thema Digitale Welten. Vor allem in Hamburg-Ost, Mitte und der City haben wir neue Angebote zum Erlernen von Multimedia-Produktion wie Digitaler Filmschnitt. Und es gibt wieder viele Theater-, Musik- und Goldschmiedekurse. In der Schanzenstraße kann man jetzt japanisch E-Mailen lernen und in der Mönckebergstraße machen wir Kurse und Prüfungen in Spanisch zusammen mit dem Instituto Cervantes, dem Goethe-Institut von Spanien.

Kommt das Herbstangebot an?

Im Moment sind wir sehr positiv gestimmt. Noch vor einem Jahr hatten wir in allen Bereichen Schwierigkeiten. Insgesamt besuchten 2003 rund 76.000 Menschen unsere Kurse. Das Soll liegt jedoch bei 80.000. Schon in diesem Frühjahr haben wir dann deutlich mehr Anmeldungen als im Vorjahreszeitraum verzeichnet. Und jetzt fürs Herbstsemester läuft die Anmeldung auch sehr gut. In jedem Kurs zwei Teilnehmer mehr und wir hätten unser Defizit ausgeräumt.

Infos unter www.vhs-hamburg.de oder Telefon 428 41-42 84. Gesamkatalog im Buchhandel für 3,50 Euro. Regionalprogramme liegen kostenlos in vielen öffentlichen Einrichtungen wie Bezirksämtern und Bücherhallen aus