Stiefkind der Verkehrspolitik

Der Senat will kaum mehr in neue Radwege investieren. Schnurzegal, findet der Radlerclub ADFC: Denn schon die bestehenden werden nicht richtig in Schuss gehalten dienen und ohnehin in erster Linie einem flüssigen Autoverkehr

Längere Grünphasen für Radler könnten den Autoverkehr hemmen und sind daher unerwünscht

von Gernot Knödler

Die Absicht des Senats, die Investitionen in neue Radwege um gut 80 Prozent herunterzufahren, hat beim Radfahrer-Club ADFC bloß ein müdes Lächeln hervorgerufen. „Jeder neue Radweg ohne gesicherte Unterhaltung ist für die Katz“, sagt ADFC-Sprecher Stefan Warda. Die Hamburger Radwege würden derart primitiv gebaut, dass sie innerhalb kürzester Zeit ohnehin kaputt gingen. Häufig würden sie bloß eingerichtet, um den Autoverkehr zu beschleunigen. Überdies würden sie so angelegt, dass sie Radler mehr gefährdeten als schützten. Der ADFC verlangt deshalb die Aufhebung der Radwege-Benutzungspflicht.

Wie jetzt bekannt wurde, plant der Senat in den Jahren 2005 und 2006 jeweils nur noch 200.000 Euro für den Bau von Radwegen, Fahrradhäuschen und -bügeln auszugeben. 2004 sind zur Förderung des Radverkehrs 1,1 Millionen Euro vorgesehen, in den Jahren seit 1999 betrug diese Summe in der Regel mindestens das Doppelte. GAL-Verkehrspolitiker Jörg Lühmann nennt das einen „Kahlschlag“.

Halb so schlimm, findet Warda. Der Senat sei ja nicht einmal in der Lage, die bestehenden Radwege in Stand zu halten. Viele Wege sind so hubbelig und löcherig, dass es Radler aus dem Sattel hebt. Zeitweise sind sie so zugewuchert, dass sie kaum zu benutzen sind. Dabei legt es die leere Stadtkasse nahe, diesen Aufwand weiter zu verringern.

Im Jahr 1999 erhielten die Bezirke 9,8 Millionen Euro zur Unterhaltung der Straßen. In den beiden kommenden Jahren soll der Haushaltsansatz auf jeweils 6,8 Millionen Euro schrumpfen. In der Regel werde jeweils ein Fünftel dieser Beträge für die Unterhaltung von Fuß- und Radwegen ausgegeben, heißt es bei der Baubehörde. Der Haushaltstitel für die Grundinstandsetzung von Straßen schrumpfte unter dem Spardruck von 7,2 Millionen Euro 1999 auf 4,4 Millionen Euro im laufenden Jahr. Für große Einzelprojekte wie den Kronstieg oder die Sengelmannstraße gibt es allerdings eigene Titel.

Warda ärgert, dass die Radwege in Hamburg in der Qualität von Gehwegen gebaut werden. Dem Druck von Baumwurzeln von unten oder Autoreifen von oben halten sie nur kurze Zeit Stand. So sei der Radweg in der Ludwig-Erhard-Straße, erst vor fünf Jahren grundinstandgesetzt, teilweise bereits aufgeworfen. Er habe noch nicht beobachtet, dass eine Fahrbahn von Baumwurzeln aufgeworfen worden sei, sagt Warda und kommt für die Radwege zu dem Schluss: „Es ist von vorne bis hinten Pfusch!“ Weil die Baumwurzeln ja nicht einfach abgesägt werden könnten, sei die Behörde dazu übergegangen, das Pflaster an solchen Stellen zu entfernen. Man radelt durch den Matsch.

Um Abhilfe zu schaffen, schlägt Warda das Abteilen von Radfahrstreifen auf Fahrbahnen vor. Mit 200.000 Euro ließen sich Hunderte Kilometer Radfahrstreifen markieren. Heute sind es gerade mal 30 – bei 1.800 Kilometern Radwegen und 3.900 Kilometern Straßen.

Die Radfahrstreifen hätten weitere Vorteile: Kein parkendes Auto versperrte Rechtsabbiegern die Sicht auf die Radler. Die Fahrbahn wäre glatt, der Weg übersichtlich und gerade. Dafür müssten die Autos allerdings Platz abgeben und die Ampeln entweder neu geschaltet oder um Radfahrer-Ampeln ergänzt werden. Denn Radfahrer brauchen eine längere Grünphase. Das könnte den Fluss des Autoverkehrs hemmen und ist daher unerwünscht.

Aus Sicht des ADFC treibt dieses Dilemma die Baubehörde zu den absurdesten Planungen. Am Blankeneser Bahnhof zum Beispiel beginnt kurz vor einer Ampel-Kreuzung ein Radweg, um gleich danach abrupt wieder zu enden. Warda: „Das ist die Ideologie, die hinter den Hamburger Radwegen steht: Man will was für die Autofahrer tun.“