So werden Sie Ihren Alten los!

Klar ist: Henning Scherf sitzt nach diesem Wochenende noch fester im Sattel als je zuvor. Der Landesparteitag der SPD wird über seine einsame Entscheidung, Bremens Bürgermeister zu bleiben, nicht einmal mehr diskutieren. Für die nicht-mehr-ganz-jungen-gar-nicht-so-Wilden heißt das: Höchste Zeit, sich auf neuen Wegen um die Wachablösung zu kümmern. Die taz weiß, was hilft

Der heutige Landesparteitag der SPD wird daran nichts ändern: Die nominell erste, faktisch aber zweite Reihe scharrt mit den Hufen, rumort, quängelt gegen die Große Koalition, wird von den Kastendiek und Rohmeyer-Buben angepinkelt, holt zum Gegenschlag aus – aber dann legt sich Henning Scherf quer. Und wenn 2,90 quer liegen, ist da kein Vorbeikommen. Der – nach eigenen Worten – „Methusalem“ triumphiert immer.

Ein gesamtgesellschaftliches Problem, glaubt man dem Gießener Soziologen Reimer Gronemeyer: „Die schlauen Alten lachen sich tot“, schreibt er in seinem Buch „Der Kampf der Generationen“. Ihnen sei es gelungen, „was noch niemandem zuvor gelang: die Risiken eines verantwortungslosen Lebensstils in die kommenden Generationen zu verlagern.“ Seine Lösungsvorschläge? Gronemeyer empfiehlt den Alten, „neue Kompetenzen des Verzichts“ zu entwickeln. Leicht gesagt. Aber ein bisschen zu unkonkret. Außerdem: Gronemeyer ist selbst 65.

Zugegeben: Die geplante Wachablösung wäre heute laut Landespartei-Chef Carsten Sieling „ohnehin kein Tagesordnungspunkt gewesen“. Debattenthemen stattdessen: Kopftuchregelung, Bürgerversicherung, Hartz IV. Man könne, so Sieling, nicht neun Monate vor dem avisierten Rücktritt eines Amtsträgers einen Nachfolger benennen. „Auch wenn Scherf hätte zurücktreten wollen, hätte die Debatte frühestens im Herbst begonnen.“ Naja. Im Grunde tobt sie schon seit der Bürgerschaftswahl. Damals hatte der eine Kronprinz, Jens Böhrnsen, der taz gesagt, „nicht Henning Scherf“ sei das Problem, „sondern ein sehr erfolgreicher Bürgermeister“. Ein zweideutiger Satz. Seither schweigen er und sein Kronprinzen-Kollege Willi Lemke beredt zu der Frage. Zuletzt bei der Landesparteikonferenz. Keine gute Strategie: Harthörige geben sich nämlich gegenüber Zwischentönen unempfänglich. „Das war eine sehr gute Veranstaltung“ lobte Scherf die Parteikonferenz in der FAZ. „Es gab nur einen, der mich aufgefordert hat, 2005 aufzuhören.“

Die Bremer SPD schwächelt: 1980 hatte sie noch rund 16.000 Mitglieder. Heute sind es nicht einmal mehr 6.000. Als eine der Hauptursachen beispielsweise von Magersucht gilt, wenn Eltern ihre Kinder nicht loslassen können. Selbst Schulmediziner empfehlen, den Kontakt zu den Großeltern auszubauen – sprich, die gar-nicht-mehr-so-jungen Wilden der SPD müssten Überbürgermeister Hans Koschnick reaktivieren.

Eigene Wege geht hingegen die Psychotherapeutin Sieglinde Rosenbaum: Grundlage für eine erfolgreiche Therapie sei es, den Weg zur Selbsterkenntnis bewusst zu beschreiten. Viele würden ihn jedoch „abbrechen, aus Angst, sich selbst zu verlieren“. Das würde den Klammer-Effekt sogar noch verstärken. „Bei solchen Patienten“, gibt sie sich überzeugt, „ist das einzige wirksame Mittel, das eine Veränderung im seelisch geistigen Bereich bewirken kann, das therapeutische Gespräch in Hypnose.“

Schulmedizinisch ist diese Methode umstritten. Auch die Wirksamkeit einer Bachblüten-Kur, von der immer wieder viele mit glänzenden Augen berichten, dass sie ach! so gut anschlage, ist nicht erwiesen. Gegen hartnäckiges Festhalten und einen steifen Rücken soll homöopathisch verdünntes mit Sonnenkraft aufgeladenes Quellwasser (Rockwater) helfen. Vorteil: Es kommt wesentlich preisgünstiger als die Hypnose-Sitzung. Und die Globuli oder Tröpfchen lassen sich schnell und unbemerkt in heißes Wasser geben: hochpotenziert, im Versand erhältlich, rund 7 Euro. Nebenwirkungen sind nicht bekannt.

Ostentatives Fremdgehen: Das gilt in einschlägigen Foren als das Mittel, einen Partner zu vergraulen, dessen man überdrüssig ist. Müsste also Fraktions-Chef Jens Böhrnsen nur heftig mit den Grünen flirten, um endlich … Aber Achtung: Das ist eine verkehrte Analogie. Die Voraussetzung für ein Gelingen wäre ein partnerschaftliches Verhältnis. Da ist man aber weit von entfernt. In der patrilinearen Gesellschaft, hat einst der Ethnologe Jacques Maquet festgestellt, „ist die väterliche Rolle auch mit einer Machtbeziehung zu den Kindern verbunden. Solange sie noch jung sind, sind die Söhne ihrem Vater behilflich. Später, wenn sie sich dem Heiratsalter nähern, liefern sie ihrem Vater potenzielle Druckmittel an die Hand, die ihm als Trümpfe in seinem Machtspiel dienen.“ Alle Rangeleien zwischen SPD-Fraktionschef Böhrnsen und seinem christdemokratischen Widerpart Jörg Kastendiek spielen dem Alten in die Hände. Vielleicht reagiert Böhrnsen deshalb mittlerweile nicht mehr auf Kastendieks-Attacken?

Juristisch stehen die Chancen schlecht. Den Antrag, eine Person unter Betreuung zu stellen kann zwar von jedem bei der Betreuungsbehörde oder dem Vormundschaftsgericht gestellt werden. Allerdings wird die Dokumentation peinlicher Fernseh-Auftritte mit Perücke ebenso wenig für ein einschlägiges Gutachten reichen, wie Gesinge in bundesweit verteilten Interviews.

Trennungszauber gehört zu den Standards der weißen Magie. Eine Selfmade-Methode haben Deborah Gray und Athena Starwoman in „Wie du deinen Ex-Prinzen in eine Kröte verwandelst“ festgehalten. Fürs Gelingen werden benötigt: eine Wäscheklammer-Puppe, an der etwas Kleidung oder ein Foto der fraglichen Person befestigt wird wird bedacht mit dem Spruch: „Diesen Spruch wende ich an im Rahmen meines Rechts auf Freiheit, betrete mein Haus nie mehr. Geh weg, Henning, verschwinde, entferne dich von mir!“ Anschließend mit schwarzem Pfeffer bestreuen und im Garten begraben. „Der beste Tag für diesen Spruch“ so die Autorinnen, „ist ein Samstag“. Benno Schirrmeister