EU-STABILITÄTSPAKT: IM ZWEIFEL SIND IMMER DIE ANDEREN SCHULD
: Schuldenmachen wird leichter

Ach, übrigens: Die EU-Kommission hat gestern den Stabilitätspakt geändert. Wir erinnern uns? Das war doch die Geschichte mit den blauen Briefen aus Brüssel. Hans Eichel wollte keinen und bekam am Ende auch keinen. Ist alles schon recht lange her.

Am Reizwort Stabilitätspakt lässt sich wunderbar zeigen, wie mit Nachrichten aus Brüssel Stimmung gemacht wird. Sie eignen sich dazu besonders gut, weil die Verfahren kompliziert und die Zuständigkeiten zwischen den Hauptstädten und der EU aufgeteilt sind. Einfacher ausgedrückt: Keiner weiß genau, worum es geht, und im Zweifel sind immer die anderen schuld.

Nur deshalb lieferte das Thema in Deutschland monatelang Schlagzeilen. Die Opposition nutzte es, um die Verschwendungssucht der Regierung zu geißeln. Die Regierung wiederum ließ im Rat die Muskeln spielen und sorgte dafür, dass der Pakt zu einem Lippenbekenntnis verkam. Jetzt, wo die EU-Kommission die von Deutschland und Frankreich längst geschaffenen Fakten in eine so genannte Reform des Pakts umgesetzt hat, interessiert sich schon keiner mehr für den genauen Inhalt. Ist doch eh nur EU-Sprech, den keiner versteht.

Der Vorschlag des EU-Währungskommissar Joaquín Almunia hat immerhin den Vorteil, dass die flexibleren neuen Regeln künftig für alle gelten werden. Der bittere Beigeschmack, der bei Portugiesen oder Griechen zurückblieb, weil sie von Brüssel hart angefasst wurden, während die großen Länder Sonderrechte beanspruchten, wird damit aus der Welt geschafft. Ansonsten aber gilt: Der Einfluss der Kommission auf die Finanzpolitik geht durch die Änderung weiter zurück. Das Schuldenmachen lässt sich künftig leichter rechtfertigen. Die Hürden für Sanktionen waren schon bislang hoch, nun sind die Regeln dafür noch schwammiger geworden.

Warten wir also gespannt auf den Aufschwung. Der soll laut Almunia-Reform künftig dazu genutzt werden, die Vorratskeller für konjunkturelle Dürrezeiten zu füllen. Die nächste Bundesregierung darf also auch dann keine Geschenke mehr ans Wählervolk verteilen, wenn die Wirtschaft wieder brummt. DANIELA WEINGÄRTNER