EIN GRUSS AUS BAYERN
: Raus aus der Schmuddelecke

„taz vor dem Aus“, „nur noch 25 Tage taz“ – solche Schlagzeilen sind seltsam vertraut. 25 Jahre lang waren sie immer wieder zu lesen. Die taz aber hat immer wieder die Kurve gekriegt – nicht zuletzt mit Hilfe dieser Alarmrufe. Sonst wäre für diese Ausgabe nie geschrieben worden. Nicht viele neue Blätter haben das geschafft.

Die taz wird sicher bald wieder mit einem ähnlichen Hilferuf aufmachen. Ein Blatt wie die taz wirtschaftlich nicht scheitern lassen – das ist doch ein Beitrag für eine bessere Welt, wird die Redaktion erläutern. Eine erprobte Strategie zieht immer, werden die taz-Leser denken. Bei der taz ist das eben die Erpressung neuer Abonnenten mit der Drohung der Pleite. Was aber passiert, wenn Altbekanntes unerwartet zum Irrtum wird? Wenn aus bewährten Wegen plötzlich ausgetretene Pfade werden, die nicht mehr zum Ziel führen? Dann hätten wir eine Krise – im ursprünglichen Wortsinn: einen Moment der Unterscheidung. Oder auch: ein Schulbeispiel für das Verhältnis von Politik und Journalismus.

In der Krise wird es viel ehrliche Enttäuschung geben. Mancher aber wird hinter einer pflichtgemäß betrübten Miene seine klammheimliche Freude kaum verbergen können: Eine Zeitung, die aus Überzeugung links ist und in der mit so viel Insiderkenntnis so ehrlich über Gerhard Schröder geschrieben wird, wie ihn die taz-Mannschaft im Wahljahr 1998 porträtiert hat, ist etwas Besonderes. Sie kann unter denen, die ihr scheinbar nahe stehen, nicht nur Freunde haben. Selbst die geliebten Grünen werden nicht mehr nur gehätschelt. Dass die taz sich nicht mehr ausschließlich in der „linken Schmuddelecke“ angesiedelt sieht, zeigt die Tatsache, dass ein Redakteur Mitglied im „weiß-blauen Stammtisch“ geworden ist.

Ich dagegen würde mit Gelassenheit echtes Bedauern überspielen. Denn wo es so viele halbherzige und eigensüchtige Freunde gibt wie im Verhältnis von Politik und Journalismus, da hat ein aufrichtiger Gegner seinen eigenen Wert. taz lesen heißt für mich: die Welt unter einem ganz eigenen Blickwinkel sehen. Die Wirklichkeit gewinnt an Kontrasten und Tiefenschärfe. Das ist eine Herausforderung, die ich nicht missen möchte. Die Krisen der taz bleiben interessant. Eines muss man den taz-Leuten lassen: Schreiben können sie.

MICHAEL GLOS

Vorsitzender der CSU-Landesgruppe im Bundestag