Ethischer Kapitalist

Der Industriekapitän Berthold Beitz feiert seinen 90. Geburtstag. In Zeiten des Shareholder-Value täten uns mehr von seinem Schlage gut

BERLIN taz ■ Die Nachkriegsgeschichte der deutschen Wirtschaft ist mit vielen klangvollen Namen geschmückt. Aber kaum einer klingt so gut wie der des langjährigen Krupp-Chefs Berthold Beitz. Es wurde gestern, zu seinem 90. Geburtstag, viel Lob verteilt.

Klar, bei vielen Lesern der taz steht seine unternehmerische Arbeit für den Stahlkonzern im Vordergrund und dass er mit seinen Nachfolgern fleißig andere Unternehmen schluckte. Erst Hoesch und dann zusammen mit Thyssen. Weniger wissen, dass er, zusammen mit seiner Frau, im Zweiten Weltkrieg vielen Juden durch mutigen Einsatz das Leben rettete und dass er noch mitten im Kalten Krieg Entscheidendes für die wirtschaftliche Annäherung zwischen Ost und West geleistet hat: Lange vor Willy Brandts Ostpolitik sorgte Beitz dafür, dass der Eiserne Vorhang ab und zu mal geöffnet wurde. Dass er da noch Zeit für weiteres gesellschaftliches Engagement fand, grenzt in der Rückschau schon an ein Wunder. Er kämpfte so erfolgreich für die Olympischen Spiele in München 1972, wie er sich um die alternde Balletttänzerin Gret Palucca auf Hiddensee 1992 kümmerte.

Mit diesem breiten gesellschaftlichen Engagement ist Beitz für alle Wirtschaftsführer in Zeiten vom „Shareholder-Value“ ein Vorbild, welches mehr Nachahmer brauchte. Auch in einem anderen Punkt können sich unsere Nachfolger eine Scheibe abschneiden: Er hat immer für ausgezeichneten Nachwuchs gesorgt. Mit Gerhard Cromme hat er einen einen überzeugenden Nachfolger aufgebaut. Hätten wir heute mehr Männer und Frauen dieses Kalibers an der Sptize der großen deutschen Unternehmen, wäre es um die Akzeptanz unseres Wirtschaftssystem besser bestellt.

HANS-OLAF HENKEL

Hans-Olaf Henkel, 63, ist Präsident der Wissenschaftsgemeinschaft Gottfried Wilhelm Leibniz und war Chef der IBM Europa und Präsident des Bundesverbandes der Deutschen Industrie