Unten reinregieren

Grüne im Nordwesten nominieren Rebecca Harms zur Spitzenkandidatin für das Europäische Parlament

Bremen taz ■ Es ist alle fünf Jahre dasselbe Ritual: Rücken die Wahlen zum Europäischen Parlament näher, dann beklagen Politiker jedweder Couleur das „Demokratiedefizit auf europäischer Ebene“, vermissen eine „europäische Öffentlichkeit“ – und versprechen vollmundig ein Europa der Bürgerinnen und Bürger. In Bremen war das am Samstag keinen Deut anders, als die Landesverbände der Grünen aus Niedersachsen und Bremen – bei Kartoffelsuppe, Obstschnitten und mit dem durchaus bemüht klingenden Slogan „It‘s Yourope“ – drei potenzielle KandidatInnen für die Europawahl 2004 kürten.

Man wolle kein „Europa der Eliten“, gab sich der niedersächsischen Grünen-Chef Raimund Nowak basisnah, und man wolle keinesfalls „in eine abstrakte Europa-Duselei verfallen“. Deshalb gelte es „die Menschen zu überzeugen“ und „für das Europa der Regionen kämpfen“. Als regionale Schwerpunkte grüner Europapolitik nannte Nowak den Schutz der Meere und Küsten, den Klimaschutz und die Agrarwende.

Sein Bremer Kollege Klaus Möhle gab sich prompt alle Mühe, nicht elitär zu wirken. Europa sei ihm „lange Zeit sehr suspekt gewesen“, sagte Möhle. Lange habe er gedacht, dass in Brüssel vornehmlich darüber entschieden werde, „wie dick ein Appel sein darf“. Es sei „noch gar nicht so lange her“, dass er gemerkt habe, wie viele für Deutschland relevante Entscheidungen von der EU getroffen würden.

Zu ihrer „Spitzenkandidatin“ für die Europaliste, die die Bundes-Grünen Ende November in Dresden aufstellen wollen, wählten die beiden Landesverbände Rebecca Harms. Die Fraktionschefin der Grünen im niedersächsischen Landtag erhielt 47 von 64 Stimmen. Zuvor hatte sie keinen Hehl daraus gemacht, dass sie genug von den harten Oppositionsbänke in Hannover hat. „Nach zehn Jahren Landespolitik möchte ich ‘mal wieder etwas tun, was dazu geeignet ist, mein Herz höher schlagen zu lassen“, sagte Harms. „Europa“ locke sie, weil sie große Lust verspüre, der CDU/FDP-Landesregierung „von oben reinregieren zu dürfen, denen einen Riegel vorzuschieben“.

Beide Landesverbände hoffen nun, dass Harms einen aussichtsreichen Listenplatz erhält. Außerdem schlugen die nordwestdeutschen Grünen die frühere Bremer Kultursenatorin Helga Trüpel (52 Stimmen) und den Sprecher der Grünen Jugend Benjamin von der Ahe (34 Stimmen) für die Europaliste vor. jox