fußpflege unter der grasnarbe
: Studentengolf in der Diaspora

Mein erstes großes Fußballspiel als Zuschauer im Stadion hieß Borussia Mönchengladbach versus Real Madrid 1976 im Düsseldorfer Rheinstadion. Ich war zehn Jahre alt und erinnere mich noch, wie mein Vater und ich mit einem Reisebus nach Düsseldorf gefahren sind und ich 90 Minuten lang auf die riesige Anzeigetafel gestarrt hab, weil vor mir so viele hoch gewachsene Rheinländer gestanden haben, dass ich nichts vom Spiel sehen konnte. Es war toll. Auch wenn am Ende auf der Anzeigetafel nur 2:2 stand und das Rückspiel in Spanien von einem Meneer van der Kroft aus den Niederlanden geleitet wurde. Damals gab es noch Gründe für holländisch-deutsche Ressentiments.

Mein zweites großes Fußballspiel hieß FC Paderborn gegen Holstein Kiel, Inselbadstadion Paderborn: Der FC musste nur noch gegen die Kieler gewinnen und wäre in die Zweite Liga Nord aufgesteigen. Die Namen der Spieler sind mir zwar nicht mehr so vertraut wie dem Sportskameraden Jens die Eimsbüttler Sturmreihe der 20er und 30er Jahre, aber den Rechtsaußen Johnny Brosda oder den ungeschlachten Ali Fortkordt werde ich trotzdem nicht vergessen. Natürlich stieg am Ende Kiel auf.

Paderborn ist ein schönes Beispiel. Für eine dieser Städte, die im Mittelalter mal ein paar Kirchen hingestellt bekommen haben und in denen seitdem nicht mehr viel passiert ist. Es könnte auch Münster, Osnabrück oder Bamberg sein. Ein paar schmucke Hightech-Industrien am Stadtrand, eine Uni mit naturwissenschaftlichem Schwerpunkt, ein Rotary-Club. Also muss der Sport den Lückenbüßer geben, um der Stadt ein Label zu verpassen: Am besten der Fußball. Aber irgendwie will es nicht klappen.

Paderborn ist Fußball-Diaspora, um einen Begriff zu benutzen, der in dieser Katholikenhochburg bestens verstanden wird. An der Uni gibt es mittlerweile einen Golfplatz, im Wasserski ist man bundesweit Spitze, die Basketballer und Volleyballer waren auch mal erstklassig, aber Fußball war hier immer Stiefkind.

Die Talente von Thomas von Heesen über Martin Driller bis Andreas Fischer sind irgendwann mal in Hamburg gelandet und haben Karriere gemacht, während der Paderborner Club weiter vor sich her gedümpelt ist, sich alle zehn Jahre umbenannt hat und nun als SC Paderborn firmiert.

Aber in diesem Jahr soll alles anders werden. Der Sponsor ist ein geldstrotzender Möbelmulti, der es leid ist, Jahr für Jahr ein paar Milliönchen in den Verein zu stecken, ohne dass irgendetwas dabei herauskommt. Weil zwischen einem Ledersofa und einem Fußballprofi kein großer Unterschied besteht, rein ökonomisch betrachtet, hat der Unternehmer also investiert. Donkov, Waterinck, Eigner, Catus – alles erfahrene Profis. Wenn es in diesem Jahr nicht klappt mit dem Aufstieg, dann nie. Das Resultat: 0:2-Niederlage in Braunschweig, am Samstag 0:2 beim FC St. Pauli. Es wird also auch in diesem Jahr nichts werden.