zahl der woche
: Jaguar und Ameisenbär weichen dem Hühnerfutter

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Bis 2020 könnte allein die weltweit wachsende Nachfrage nach Soja 22 Millionen Hektar einzigartiger Naturflächen vernichten, erklärte gestern der WWF. Das entspricht etwa der Fläche Großbritanniens. Ein Viertel davon ginge in den tropischen Regenwälder in Brasilien, Argentinien, Bolivien und Paraguay verloren – die übrigen drei Viertel in den Savannen. Das Überleben seltener Tierarten stehe damit auf dem Spiel, wie das der Jaguare, der Großen Ameisenbären oder der Mähnenwölfe, die sich nur in den südafrikanischen Savannen finden.

Nun haben wir solcherlei Horrorzahlen schon oft genug gehört. Ist der Regenwald nicht sowieso früher oder später fort? Was also kümmert es uns? Erstens ist die EU mit 37 Millionen Tonnen Soja weltgrößter Importeur – mehr als drei Viertel davon wird an Schweine, Hühner und Rinder verfüttert. Denn Sojabohnen bestehen zur Hälfte aus nahrhaften Proteinen.

Und zweitens muss es nicht so kommen. Die 22 Millionen Hektar werden nur dann dem Anbau zum Opfer fallen, so das Ergebnis einer neuen WWF-Studie, wenn die Großbauern ihre Soja weiter so anbauen, wie bisher. Wenn sie also das Weideland der Savannen in Beschlag nehmen und damit die Rinderzüchter zwingen, ihrerseits Urwälder brandzuroden, um Weideland zu schaffen.

Doch es geht auch anders: Sollten die Bauern im Wechsel Soja und Gräser fürs Vieh anbauen, schrumpft der Flächenbedarf drastisch auf nur noch ein Sechstel. Immerhin 23 Millionen Rinder könnte dieser integrierte Anbau mit Weideland versorgen, schätzt Jan Maarten Dros, der Autor der Studie.

Der Umweltexperte geht davon aus, dass diese Mischwirtschaft auch ökonomische Vorzüge brächte: Die Abhängigkeit wird auf zwei Produkte, Fleisch und Soja, verteilt; durch den Fruchtwechsel wären weniger Pestizide und Dünger nötig. Durch die intensivere Landnutzung fielen mehr Jobs an einem Ort an. Allerdings, urteilt Dros, solle dieser Effekt nicht überschätzt werden, denn insgesamt sind weder Viehzucht noch Sojaanbau sehr personalintensiv.

Nach Dros Schätzungen wird der weltweite Konsum von Soja (186 Millionen Tonnen) bis 2020 um 60 Prozent zunehmen. Ursächlich ist auch unser Verbraucherverhalten: Ein durchschnittlicher Schweizer, so ergab eine frühere WWF-Studie verzehrt über seinen Konsum an Milch, Eiern und Fleisch indirekt die Ernte eines 230 Quadratmeter großen Feldes – die Fläche eines Tennisplatzes. Der Verbrauch eines durchschnittlichen Deutschen dürfte ähnlich sein.

Da die USA und China ihre Anbaugebiete kaum ausdehnen können, wird der wachsende Bedarf an pflanzlichen Proteinen überwiegend aus Südamerika gestillt werden. MATTHIAS URBACH