Die rollende Meute

Mit Tempo 50 rasten die Skater beim Marathon ins Ziel. Juan Carlos Betancur siegte mit einer Rollschuhlänge

Benno Zschätzsch erklärt die Besonderheit des Skating-Marathons in einer Tautologie: „Berlin ist eben Berlin“, sagt er. Damit ist für den Versicherungsmathematiker im Grunde alles gesagt. „Berlin hat seine Premiumstellung im Inline-Sport deutlich gemacht“, ergänzt er noch. „Der Marathon der Skater hat einen separaten Stellenwert bekommen.“

Zschätzsch ist Vorsitzender des bekanntesten deutschen Skating-Klubs in Groß-Gerau. Drei seiner Söhne laufen halb professionell auf Inlineskates. Christoph Zschätzsch wurde am Sonnabend auf der 42,195 Kilomter langen Strecke als bester deutscher Läufer Sechzehnter in 1:02:04 Stunden.

Was sein Vater mit dem wenig aussagekräftigen Satz meint, erschließt sich auch, wenn man sich den Zieleinlauf der komplett versammelten Weltspitze vorm Brandenburger Tor in Erinnerung ruft. Eine rollende Meute von 80 Skatern raste mit Tempo 50 auf das Ziel zu. Mit einer Rollschuhlänge setzte sich Vorjahressieger Juan Carlos Betancur durch. Die 79 anderen, die mehr oder weniger im Windschatten des Kolumbianers heranrauschten, brauchten nur Sekundenbruchteile mehr als der 25-jährige Südamerikaner.

Da in Berlin die Strecke bretteben ist und der Kurs auch keine halsbrechischischen Haken schlägt, ist meist mit einer solchen Massenankunft zu rechnen. Das Ziel, unter einer Stunde zu bleiben und Weltrekord zu laufen, interessiert die Spitzenteams also gar nicht. Im Vordergrund stehen Kraft sparendes Windschattenfahren. Wasserträger sorgen dafür, dass sich keiner aus dem Pulk löst.

„Ein Berg- und Talrennen im Gebirge würde Betancur auch allein gewinnen, aber in Berlin ist er ohne seine Mannschaft aufgeschmissen“, sagt Benno Zschätzsch. Betancurs Teamkollege von Saab-Salomon, Massimiliano Presti, wurde Zweiter. Betancur trainiert seit 19 Jahren auf Rollen. In Kolumbien steht der Sport nicht im Abseits, Talente werden früh gesichtet.

Der Athlet lobte die Vorverlegung des Rennens auf den Sonnabend – zu Gunsten eine größeren Zuschauerinteresses. Renndirektor Horst Milde taxierte deren Zahl auf 200.000 und warnte: „Wer jetzt noch sagt, der Lauf solle wieder am Sonntag stattfinden, der zettelt einen Aufstand an.“ Aus dem Senat war im Vorfeld der Veranstaltung zu hören, dass eine zweitätige Blockade der Innenstadt, zumal am verkaufsoffenen Sonnabend, nicht auf große Unterstützung stößt. Es ist damit zu rechnen, dass es auch künftig beim Wochenendsplitting bleibt. Im nächsten Jahr wird es dann auch wieder eine Massenankunft geben, so viel ist sicher. MARKUS VÖLKER