Fachmann verzettelt sich

Auch mit Holger Fach als Trainer bleibt Borussia Mönchengladbach ohne jegliche Spielkultur. Das ergibt dank van Lents Last-Second-Tor ein 2:2 gegen den VfL Bochum – und „Hochstätter raus“-Rufe

aus Gladbach BERND MÜLLENDER

Die Nachspielzeit war durchaus aufregend gewesen. Sie hatte aus einem 1:1 ein 2:2 gemacht und somit de facto zwar wenig verändert, aber die chaotischen Befindlichkeiten in Mönchengladbach dieser Tage schlaglichtartig offengelegt. Bochum war völlig unerwartet in Minute 90 durch Peter Madsen „in Führung geraten“ (Trainer Peter Neururer). Der Bökelberg brüllte: „Wir haben die Schnauze voll.“ Dann, Minute 93, das sehr glückliche, keineswegs erzwungene 2:2.

Diese letzte Spielszene setzte allerlei frei: Erst den reflexhaften Torschrei derer, die noch nicht das Weite gesucht hatten. Dazu auffällig wenig Jubel bei den Spielern. Und danach, ganz unmittelbar, skandierte die Nordkurve wütend: „Hochstätter raus!“ Sportdirektor Christian Hochstätter hat nach dem Tohuwabohu um den Trainertausch von Ewald Lienen zu Holger Fach momentan seinen Kredit aufgezehrt. Nicht oft in der Fußballgeschichte hat ein Tor für die eigene Mannschaft so viel Feindseligkeit ausgelöst.

Es war ein fürchterliches Spiel gewesen mit Höhepunkt-Abstinenz und Befreiungsschlägen, wo es gar nichts zu befreien gab. Zeitweilig schienen sich beide Teams zu einem Fehlpass-Rekordversuch fürs Guinness-Buch verabredet zu haben. Spielkultur? Mangelware. Eine Darbietung, die zum unreifen Nachgetrete aller Beteiligten unter der Woche passte.

Da hatte Ewald Lienen nochmal nachgehakt und -geharkt, Intrigen beklagt, Verschwörungen angedeutet, sich als unschuldiges Opfer stilisiert: „Mein Vertrauen wurde schändlich missbraucht.“ Nur: „Die volle Wahrheit“ könne er „noch nicht erzählen“. Hochstätter und er warfen sich putzigerweise gegenseitig vor, jeweils zur Unzeit in Urlaub gefahren zu sein, wodurch Spielertransfers nicht klappten. Hochstätter beteuerte, es sei „nichts abgekartet gewesen“, als er Holger Fach mit geheimer Rückholoption aus Essen wie ein Kaninchen aus dem Hut zurückgezaubert hatte.

Holger Fach bekrittelte nachträglich mehrfach Maßnahmen des Vorgängers, was wiederum Lienen „unfair und stillos“ nannte. Reichlich Gschmäckle bleibt, weil Fach schon vor einem halben Jahr Hochstätters Wunschkandidat gewesen sein soll, aber beim Präsidium nicht durchsetzbar. Die Fanseite „Torfabrik.de“ verweist derweil darauf, dass Hochstätter eben jenen Fach schon vor zwei Jahren unter dem Verdacht „von Vetternwirtschaft und Kungelei“ als Amateurtrainer geholt hatte.

Holger Fachs Premiere ging schwer daneben. Die Elf agierte nicht wie von Hochstätter erwartet „befreit und froh“, sondern mindestens so verunsichert, blass und unzureichend wie seit Wochen. Beide Bochumer Tore glichen wie ein Ei dem anderen, „durch trainierte Freistöße“ (Neururer), solche von Sunday Oliseh, was bei Gladbach, so Fach, „in der Besprechung angesprochen worden war“ – und man sich dennoch „dumm und naiv verhalten“ habe. Fachs Erklärungen wirkten wie Bankrotterklärungen: „Wir haben fußballerisch große Probleme.“ Seine Elf zeige „zu wenig Fußball“, man habe „zu wenig Selbstvertrauen“, denn „Angst geht durch die Mannschaft. Wir verstecken uns zu viel.“ Und die Anfeindungen der Fans? Nach diesem Spiel hätten „kein Mensch und ich Jubel erwartet“. Hochstätter machte sich nicht beliebter mit dem Satz: „Die Rufe der Fans interessieren mich nicht.“

Ein Grund für den Trainerwechsel war, so das Borussen-Präsidium, dass den Sponsoren nicht zugemutet werden sollte, bis zum letzten Spieltag um den Klassenerhalt zu zittern. Mit der Performance von Samstag müssen sie froh sein, wenn sie am letzten Spieltagen noch zittern dürfen. Und dennoch, es gibt Hoffnung für die niederrheinischen Kaninchen: van Lents LastSecond-Treffer im vierten Heimspiel war das erste herausgespielte Saisontor am Bökelberg. Nur hatte dieses Highlight kaum einer registriert.

Mönchengladbach: Stiel - Eberl, Asanin, Strasser - Korzynietz, Kluge (32. Ketelaer), Ulich (69. Gaede), Kolkka - Kirch, van Lent, Sverkos (81. Skoubo)VfL Bochum: Van Duijnhoven - Colding, Kalla, Fahrenhorst (15. Vriesde), Bönig - Thordur Gudjonsson (46. Diabang), Zdebel, Oliseh, Wosz (75. Stevic) - Madsen, HashemianZusch:: 29.000; Tore: 1:0 van Lent (5./Foulelfmeter), 1:1 Diabang (60.), 1:2 Madsen (89.), 2:2 van Lent (90./+1)