Mehr als 150 Tote bei Geiselbefreiung

Die Geiselnahme im Kaukasus endet mit weit über 150 Toten und mehr als 400 Verletzten. Russisches Militär stürmt die besetzte Schule. Ein Teil der Kidnapper kämpft noch am Abend gegen Armee. Chaotische Szenen bei der Befreiung der Geiseln

BESLAN dpa/afp/rtr/taz ■ Die Geiselnahme von bis zu 1.000 Menschen in der Kaukasus-Stadt Beslan durch tschetschenische Terroristen hat gestern ein mörderisches Ende gefunden. Vor und während des Sturms durch russische Spezialkräfte starben offenbar mehr als 150 Menschen. Mindestens 400 Verletzte, darunter über 200 Kinder, wurden in Krankenhäusern und Feldlazaretten gezählt.

Stunden nach der Befreiungsaktion meldete die russische Agentur Interfax, in der tagelang von den Geiselnehmern besetzten Sporthalle seien mehr als hundert Leichen gefunden worden. Wegen herumliegender Trümmer des eingestürzten Gebäudedachs ließ sich die genaue Opferzahl zunächst nicht feststellen. Offenbar zündeten zuvor von den Terroristen in dem Gebäude angebrachte Sprengfallen. In der Leichenhalle des Krankenhauses der Stadt Beslan zählte ein afp-Korrespondent weitere 13 Tote. Ein Berater von Präsident Putin sagte am Abend, „die Zahl der Opfer könnte deutlich über 150 liegen“.

Auch sechs Stunden nach der Befreiungsaktion befanden sich immer noch Geiseln in der Hand der Kidnapper. Der örtliche Geheimdienstchef sprach von heftigen Kämpfen, die zur Befreiung der Kinder im Gang seien. Die Zahl der Geiseln blieb zunächst unbekannt. Offenbar hatten sich drei der Geiselnehmer im Keller der Schule verbarrikadiert. Eine andere Gruppe hielt sich in einem Schulanbau auf. Weitere Terroristen verschanzten sich in einem Gebäude in der Stadt, das später von Militär angegriffen wurde. Insgesamt soll dreizehn Geiselnehmern zunächst die Flucht gelungen sein. Zwanzig der Terroristen starben nach Angaben des Geheimdienstes.

Die als chaotisch beschriebene Militäraktion begann gegen Mittag nach einer Übereinkunft mit den Geiselgangstern über den Abtransport von schon vor Tagen getöteten Menschen, die auf dem Schulhof lagen. Dabei kam es nach offiziellen Angaben zu einer Explosion innerhalb des Schulgebäudes, angeblich ausgelöst durch die Geiselnehmer.

Danach konnte eine Gruppe Schulkinder unter den Schüssen der Terroristen fliehen. Mindestens fünf Kinder wurden dabei getötet. In diesem Moment ordnete der Krisenstab die Erstürmung der Schule an. Aus Polizeikreisen verlautete, der Zugriff sei nicht geplant gewesen.

Viele Geiseln flüchteten in Panik in die Umgebung der Schule. Rettungsdienste errichteten spontan Sammelplätze in den umliegenden Parks. Krankenwagen waren zunächst nicht zu sehen. Viele Verletzte wurden mit Privatautos ins Krankenhaus gebracht. Das russische Fernsehen zeigte dramatische Bilder von den Erste-Hilfe-Stellen. Dort versammelten sich weinende Menschen, die nach Angehörigen suchten. Die Geiseln waren zum Teil blutverschmiert und meist halb nackt. Unter den Verletzten, die teils zu den Sammelplätzen getragen wurden, waren Erwachsene und Kinder.

Verlässliche Angaben darüber, wie viele Geiseln die Terroristen zu Beginn ihrer Aktion am Mittwoch überhaupt in ihre Gewalt gebracht hatten, waren nicht erhältlich. Der Geheimdienst FSB nannte die Zahl von 400 befreiten Geiseln. Der Präsident der russischen Teilrepublik Nordossetien, Alexander Dsasochow, sprach von 500 Gefangenen. Freigelassene Geiseln nannten Zahlen von bis zu 1.500 Gekidnappten. KLH