Die Kleinen haben treue Wähler

Bremerhaven: Nach jeder Wahl relativieren die absoluten Zahlen Siege und Gefahren

Bremerhaven taz ■ Wahlausgänge sind bisweilen paradox. So auch der vom Sonntag in Bremerhaven. Dort wurde die Stadtverordnetenversammlung neu gewählt, doch wirkliche Gewinner sind rar, zumal sich die größten Verlierer – SPD (35,7 Prozent/ 1999: 42,05) und CDU (30,96 Prozent/ 1999: 38,95) – anschicken, ihre große Koalition fortzusetzen. Den Kleinen bliebe die Oppositionsrolle.

Zwar betonte gestern der stellvertretende Vorsitzende der Bremerhavener SPD, Martin Günthner: „Wir werden mit allen Parteien außer der DVU Gespräche aufnehmen.“ Doch darf das vorerst als Abwehrschlacht interpretiert werden, fordert doch die CDU mehr Einfluss – obwohl sie mit minus acht Prozent Stimmenanteil im Vergleich zur letzten Stadtverordnetenwahl herbe Verluste einfuhr. Das wiegt umso schwerer, als die Christdemokraten im Wahlkampf versucht hatten, aus der sozialpolitisch unerbittlichen Bundespolitik von Rotgrün Nektar zu ziehen. Dem Wähler konnte aber offenkundig nicht vermittelt werden, warum alle den Gürtel enger schnallen sollen, während CDU-Landesvize Michael Teiser trotz gut dotiertem Bürgermeisterposten auf rund 30.000 Euro Übergangsgeld als Ex-Bürgerschaftsabgeordneter besteht.

Mit 13.653 WählerInnen, die bei der CDU ihr Kreuzchen machten, erreichten die Christdemokraten am Sonntag ein historisches Tief. Nur 1959 stimmten noch weniger BremerhavenerInnen (9.781) für die CDU.

„Die große Koalition wurde abgestraft“, bilanzieren denn auch die Grünen den Wahlausgang und erneuern ihr Angebot an die SPD, die „Kungelkoalition“ mit der CDU zu beenden. Die damit ins Gespräch gebrachte Ampelkoalition registriert die FDP mit Zurückhaltung. Doch auch sie mahnt, eine Fortsetzung der großen Koalition sei „Betrug am Wähler“.

Nur in einer Hinsicht sind die diesjährigen „Wahlsiege“ der Kleinen sensationell. Für sie alle nämlich gilt: Noch nie haben so wenige Kreuze auf dem Stimmzettel so hohe prozentuale Gewinne herbeigeführt. Die Wahlbeteiligung blieb unter 52 Prozent. Brauchten die Grünen beispielsweise für ihre 11,3 Prozent von 1987 noch über 7.700 Stimmen, schafften sie das jetzige 11,27-Prozent-Ergebnis (seit 1999 plus 4,9 Prozent) mit schlappen 5.000 Voten. Ähnlich die rechtsextreme DVU: Ihren Stimmanteil von 8,08 Prozent (seit 1999 plus 2,9 Prozent) erreichte sie jetzt mit 3.564 Stimmen. Mit 70 Stimmen mehr hatte sie 1987 nur knapp die Fünf-Prozent-Hürde genommen. Im Schnitt wählen rund 2.500 bis 3.500 Bremerhavener regelmäßig DVU. Staunen kann man allenfalls über die Ausdauer, mit der die Rechten wählen gehen. ede

Siehe auch Seite 7