Die Saisonstarter

Morgen eröffnet das Art Forum. Über Berlins Rolle als Kunstmarkt und die Konkurrenz sagt Sabrina van der Ley, künstlerische Leiterin der Kunstmesse, „wir kommen zum richtigen Zeitpunkt“

„Berliner Politik sollte sich als Gastgeber der internationalen Kunst verstehen“„Alle machen sich größer, wir werden bewusst kleiner und feiner“

Interview BRIGITTE WERNEBURG

taz: Das Art Forum Berlin ist dieses Jahr in die historischen Tageslichthallen 18–20 der Messe umgezogen. Im letzten Jahr waren es noch 150 Galerien, heute nur noch 100. Gewinnt oder verliert das Art Forum dadurch?

Sabrina van der Ley: Erst mal wird es vom Ambiente der Ausstellungssituation her deutlich angenehmer für die beteiligten Galerien sein. Sie haben richtiges Tageslicht und die Proportionen der Hallen sind angenehmer. Man hat kürzere Wege und das ganze Format ist in einer Art Kleeblattsituation insgesamt übersichtlicher. Daher denke ich, diese von Beirat und uns Anfang des Jahres verabschiedete konzeptuelle Entscheidung für eine Verkleinerung wirkt sich insgesamt angenehmer für Besucher und für Aussteller aus. Für die Aussteller eröffnen sich durch die kleinere Konkurrentenzahl bessere Verkaufschancen.

Kommen diese Maßnahmen womöglich zu spät? Die neue Londoner Kunstmesse, Frieze Art Fair, hat ja wichtige Aussteller für Berlin schon abgezogen?

Diese Maßnahmen kommen genau zum richtigen Zeitpunkt. Im Jahr zuvor hatte sich ja schon die Art Miami/Basel gegründet. Die haben wir im Dezember gesehen und festgestellt, das ist ein Konkurrent, und der nächste, der sich im gleichen Marktsegment tummelt wie wir, wird London sein. Zum Zeitpunkt, an dem sich alle größer machen, sich verdoppeln oder neu erfinden, haben wir bewusst für kleiner und feiner optiert. Im Gegenteil scheint eine Messe in London zu spät zu kommen. Der Hype um die Young British Art ist vorbei. Jetzt brauchen sie eine neue Sensation und die soll die neue Messe sein. Wir sind aber schon gut eingeführt und reagieren eben genau zum richtigen Zeitpunkt.

Warum sind dann aber so viele Galerien abgewandert, unter anderen auch Galerien des Beirats?

Alles Neue wird erst einmal ausprobiert. Genauso wie letztes Jahr viele Galerien nach Miami gingen, die dieses Jahr nicht unbedingt wieder dabei sind. Was nun die Berliner, aber auch die Kölner Galerien betrifft, so zeigen sie eine sehr eigentümliche Form von Standortflucht. Sie sind ja in London relativ breit vertreten. Umgekehrt sind aber die Londoner auf den beiden deutschen Messen fast nicht vertreten. Die haben ein bisschen mehr Standortsolidarität als die hiesigen. Trotzdem sind 25 Berliner Galerien auf dem Art Forum. Mehr kann man auch gar nicht unterbringen, sonst wird das Art Forum das, was uns ja auch schon vorgeworfen wurde: eine Regionalmesse.

Wenn in Los Angeles Kunst produziert wird, die in New York verkauft wird, ist das für die Stadt nicht tragisch, denn sie lebt von Hollywood. Wenn aber die Kunst, die in Berlin produziert wird, anderswo vermarktet wird, ist das ein Verlust für die Stadt. Wird das hier wahrgenommen? Und wie unterstützt die politische Klasse der Stadt die Kunstmesse?

Die Berliner Politik sollte sich mehr als Gastgeber der internationalen Kunst verstehen. Aber leider gibt es keine Empfänge im Roten Rathaus, kein Geld für Ankäufe der hiesigen Museen, und der Regierende Bürgermeister muss auch mehr als einmal gebeten werden, damit er womöglich zur Eröffnung kommt. Wir hatten letztes Jahr einen Termin bei Klaus Wowereit mit den Beiratsmitgliedern und der Messe und haben ihm geschildert, was wir uns an Engagement von städtischer Seite vorstellen könnten. Er hat dann die Schirmherrschaft übernommen, kam aber nicht zur Eröffnung. Wenn er etwas aktiver dahinterstünde und das sichtbar würde, könnten man damit blendend werben. Aber leider ist bei Senatsreisen in Berlins Partnerstädte nie ein Repräsentant der Kunstszene dabei, obwohl man das bei einem offensiven Stadtmarketing erwarten könnte.

Wird er die Art-Forum denn eröffnen?

Ja, der Anfang ist gemacht, Klaus Wowereit eröffnet die diesjährige Messe, und wir freuen uns auf einen Rundgang mit ihm. Wir haben ihm damals ja auch gesagt, dass seine Präsenz unter einem wirtschaftlichen Gesichtspunkt, unter dem Ansiedlungsstandpunkt interessant sein könnte. Schließlich kommen da ja Leute wegen der Kunst nach Berlin, die vor allem aber große Geschäftsleute sind. Da wäre es doch interessant, die zu treffen, und zwar in einer entspannten Atmosphäre, die nicht so zielgerichtet ist. Das hilft ja oft, in ganz andere Verhandlungen zu kommen.

Welche Anstrengungen unternimmt die Messe eigentlich, um Sammler nach Berlin zu bringen?

Einmal gibt es die aktive Einladung. Wir laden jedes Jahr rund hundert Sammler und Museumskuratoren ein. Sie werden zwei Tage lang in einem maßgeschneiderten Programm durch die Messe und die Stadt begleitet. Das ist Anfüttern. Gerade Leute, die zwanzig Jahre lang nicht mehr in Berlin waren, sollen ein Gefühl dafür bekommen, wie die Kunstgeografie der Stadt funktioniert, für die Museen, Galerien, Kunstinitiativen; wir besuchen dann auch Privatsammlungen in der Stadt. Normalerweise kommen die einmal Eingeladenen im folgenden Jahr von alleine wieder. Einladen heißt dabei, dass sie selbst anreisen und hier dann zwei Tage verlustiert und untergebracht werden. In diesen Jahr ist der Sponsor dafür das Hyatt. Die meisten der Eingeladenen nagen ja auch nicht am Hungertuch. Es geht also vor allem um eine Geste und vor allem um ein Dienstleistungsangebot.

Es wird immer wieder moniert, die Messe wäre zu weit vom Kunstzentrum Mitte entfernt gelegen. Sehen Sie da ein Problem?

Das ist bei anderen Messen, etwa der Arco im Madrid, auch nicht anders. Eigentlich gibt es diese Nähe nur in Basel. Ketzerisch gesprochen: Uns erscheint das ein Problem der Berliner Aussteller zu sein. Die hätten die Sammler gerne noch näher bei ihren eigenen Läden, damit man noch schnell was aus dem Lager rauskramen kann. Da wäre das hübsch, wenn das sich mit einem Fußweg erledigen ließe. Aber dem Aussteller aus London ist das herzlich egal. Dazu gibt es jede Menge Feste und Events in Mitte. Der Eröffnungsempfang ist dieses Jahr in der Volksbühne. Die Deutsche Guggenheim macht noch einmal einen Extraempfang mit Künstlern und Performance. Die Firma Sisley und die Kunstwerke organisieren eine Party in der Auguststraße, zu der unsere Gäste eingeladen sind. Es ist also nicht so, dass man keine Gelegenheit hätte, am Kunstleben der Stadt teilzunehmen und auf die Messe zu gehen. Die Galerie-Rundgänge sind ja auch so gelegt, dass man Samstagabend nach der Messe noch bis 10 Uhr sich umschauen kann.

Das Begleitprogramm der staatlichen und städtischen Institutionen war ja in den letzten Jahren recht unterschiedlich in der Qualität. Wie sieht es dieses Jahr aus?

Ja, das Begleitprogramm ist nicht wirklich steuerbar, wie wir wissen. Allerdings über die gemeinsame Kunstplattform Kunstherbst versucht man sich zu treffen und auszutauschen, dass sich die Highlights der Ausstellungen im Herbst eben um die Messe herum bündeln. In diesem Jahr ist das deutlich besser als im letzten Jahr. Etwa mit der Ausstellung der Festspiele „Berlin–Moskau“. Im nächsten Jahr wird man sehen müssen. Es kann sein, dass die MoMA-Ausstellung in der Neuen Nationalgalerie zehn Tage vor Beginn der Messe schließt. Das liegt noch nicht ganz fest. Und hängt in diesem Fall vom Termin der Wiedereröffnung des MoMA in der 53. Straße in Manhattan zusammen.

Seit der letzten Messe sind Sie, Sabrina van der Ley, künstlerische Leiterin des Art Forums. Welche Freiheiten und welche Verantwortlichkeiten sind mit dieser Position verbunden?

Zunächst, als das Art Forum noch von zwei Veranstaltern gemanagt wurde, lief die künstlerische Abwicklung über die Galerien als Mitveranstalter, während die Messe Berlin die ganze Logistik und Technik abwickelte. Das ist in den Grundzügen so geblieben. Anstelle der Galerien als Mitveranstalter sind nun ich und der Galerienbeirat seit eineinhalb Jahren für die Akquise, den Austausch mit den Ausstellern, die Sammlerbetreuung, die Pressearbeit oder die Publikumsgespräche zuständig. Die Messe Berlin wollte uns als Team ja explizit dabeihaben. Wir gehörten mit in das Paket des Rechtekaufs. Damit die künstlerische Betreuung eben sichergestellt ist. Dabei hat der Galerienbeirat sehr viele Rechte und wenige Pflichten, vor allem aber keine wirtschaftliche Verantwortung, die liegt komplett bei der Messe. Das ist für mich ausgesprochen angenehm, wobei ich nun nicht blind durch die Gegend laufe und sage, macht mal dieses, macht mal jenes. Egal was es kostet. Die Zusammenarbeit mit der Messe funktioniert hervorragend. Die Messe hat auch über die Jahre verstanden, dass man mit dem Art Forum etwas anders umgehen muss als mit einer Schraubenmesse.

Können Sie die Rolle des Beirats noch einmal beschreiben? Wie stark ist er, dass er so maßgeblich bestimmen kann, wie die Messe ausschaut?

Wie stark der Beirat ist, zeigt etwa die Verkleinerung, die er dieses Jahr durchsetzen konnte, obwohl das für die Messe wirtschaftlich gesehen ein schmerzhafter Prozess war. Der Sachverstand wird allerdings geschätzt, wenn es gute Argumente gibt, wie in diesem Fall, wo es zwei neue Konkurrenten am Markt gibt, dann wird das von der Messe mitgetragen. Unser Büro ist dabei die Schnittstelle zwischen Beirat und Messe. Vertraglich ist festgelegt, dass sich der Beirat mit allen Mitgliedern, also Patricia Asbaek, Georg Kargl, Gerd Harry Lybke, Christian Nagel, Anthony Reynolds, Aidan Salakhova, Thilo Wermke, fünfmal im Jahr trifft. Die einzelnen Mitglieder verbleiben für zwei Jahre im Beirat. Wenn jemand ausscheidet, hat der verbliebene Beirat einen Kooptionsrecht und kann das neue Mitglied vorschlagen. Die Vorschläge des Beirats bei diesen Sitzungen werden eigentlich immer sehr schnell umgesetzt. Wenn es allerdings um viel Geld geht, bei einer neuen Konzeption, muss das erst mit der Messe verhandelt werden, bevor es umgesetzt werden kann.

Die Zufriedenheit der Aussteller mit der Messe wird immer wieder ganz unterschiedlich dargestellt, nach der Messe meist als gut, kurz vor der neuen Messe eher als mäßig. Eine Taktik der Galeristen?

Das ist schwer zu sagen. Manche verlassen die Messe relativ bedröppelt, weil sie in den fünf Messetagen nicht das realisieren konnten, was sie sich erhofft hatten. Aber viele davon erzählen mir zwei, drei Monate später, dass sie einen sehr guten Nachverkauf hatten. Da wir ja der Saisonstarter sind, gehen viele erst einmal gucken. Und wenn sie dann sehen, das wird nicht sofort von der Wand gerissen, dann warten sie eben noch Köln ab und andere Messen. Sehr häufig kommen sie dann doch wieder auf die Berliner Aussteller zurück. Da tut sich im Nachhinein noch was. Dass Käufer abwarten, mag auch damit zu tun haben, dass das Art Forum eine Funktion als Karrierestarter für Galerien hat. Ein anderer Grund mag sein, dass wir versuchen, frühzeitig interessante neue Galerien in Berlin sichtbar zu machen. Nicht immer nur die üblichen Verdächtigen, die die Käufer schon kennen. Wir wollen neue, überraschende Positionen zeigen, eine dieser Galerien war letztes Jahr Skuc aus Ljubliana. Die Künstler der Galerie sind den Kuratoren eindrücklich in Erinnerung geblieben. Die angebliche hohe Fluktuation in Berlin hängt im Übrigen genau damit zusammen. Bei Messen, die den Bereich der klassischen Moderne abdecken, gibt es natürlich nicht so viele Neugründungen wie im zeitgenössischen Bereich. Und wenn wir die Neugründungen dabeihaben wollen, brauchen wir eine gewisse Fluktuation, wenn die Zahl der Aussteller nicht ständig zunehmen soll.