analyse: peer im palais schaumburg
: Vom Beamten zum Populisten

Peer Steinbrück hat eine neue Rolle gefunden. Der NRW-Ministerpräsident, als langjähriger Beamter mit tausend Aktenvermerken und Regierungsvorlagen gewaschen, gibt den gierigen Gastgeber. Bei der auswärtigen Sitzung des Bundeskabinetts im alten Bonner Kanzleramt pumpte der Düsseldorfer Regierungschef seine Parteifreunde aus Berlin unverwandt an. Mehr Kohle für die Strukturförderung, mehr Geld für die Bildung – in Bonn rechnete Steinbrück den Hauptstädtern die Benachteiligung des größten Bundeslands vor. Natürlich durfte auch der Verweis auf das nördliche Ruhrgebiet nicht fehlen, dem anscheinend übelsten deutschen Krisengebiet westlich von Brandenburg.

„Das hat mit Populismus nichts zu tun“, dementiert Steinbrück die Rolle des Jammer-Wessis und Subventionsjägers. Doch knapp zwei Jahre nach seinem Amtsantritt legt der Ministerpräsident so langsam den Habitus des Bürokraten ab und profiliert sich als NRW-Lobbyist auch gegen die Nehmerländer im Osten. Bereits vergangene Woche stänkerte Steinbrück gen Ex-DDR, man solle die Stimmung im Westen nicht unterschätzen. Westdeutsche Städte hätten sich für den Aufbau Ost verschuldet.

Dass die Anpump-Aktion im Palais Schaumburg zunächst ohne konkretes Resultat blieb, dürfte Steinbrück nicht stören. Schröder und Clement sind schließlich darin geübt, Bittsteller erstmal abzuweisen. Im Wahlkampfjahr 2004/05 wird die Bundesregierung nicht daran vorbeikommen, Rot-Grün in NRW zu unterstützen – auch finanziell. MARTIN TEIGELER