Befreit Ratz und Rübe

Die „Rappelkiste“ wird heute 30 Jahre alt – vom Bildschirm ist sie verschwunden, aus den Köpfen noch lange nicht. Eine Dokumentation

gesammelt von POLLY SCHMINCKE

„Ene, mene, miste, es rappelt in der Kiste“ – den Abzählreim kennt jedes Kind, die wenigsten aber noch die dazugehörige Kindersendung. Am 30. September 1973 lief im deutschen Fernsehen die erste Folge der Rappelkiste.“ Von Konservativen wurde die Sendung, die regelmäßig rund vier Millionen kleine und große Zuschauer an den Bildschirm lockte, als Machwerk der 68er-Pädagogen kritisiert. Die Gegenseite freute sich, dass der Muff der Bewahrpädagogik aus den Kinderzimmern gefegt wurde.

Fast 20 Jahre nach der letzten Staffel mit Ratz und Rübe – in den 90er-Jahren wiederholte der Kinderkanal einige Folgen – scheiden sich noch immer die Geister an der Sendereihe. Im Internetforum www.tv-kult.net beschimpfen ehemalige Zuschauer die „Rappelkiste“ als „üblen 70er-Jahre-Schrott“, andere verlangen begeistert die sofortige Wiederholung.

Kreszenz (Jahrgang 1965): „Rappelkiste hat die Kinder nur aufgehetzt und zum Frechsein angestiftet.“

Marcus (1967): „Alles in allem eine Sendung von 68ern, die die Kinder augenscheinlich zu guten Kommunisten oder Anarchisten erziehen sollte.“

Katharina (1957): „Anarchistisch-kommunistische Propaganda für Kinder? Ich dachte immer, diese Sendereihe käme vom CDU-freundlichen ZDF und nicht vom Ulbricht/Honnecker-Fernsehen aus der DDR.“

Iris (1967): „Das waren noch Kindersendungen und nicht der ganze Zeichentrickquatsch von heute. Das sollte man mal wieder ins Fernsehen bringen. Es wird doch sonst alles wiederholt.“

Henner (1964): „Die werden das nie wiederholen – die konservativen Knochen vom ZDF. Denen ist das doch heute noch peinlich, dass sie damals den Norddeutschen Rotfunk links überholt haben.“

Kristian (1971): „Die Bekannten meiner Eltern waren entsetzt, dass ich so was gucken durfte. Leider hat man als Kind gar nicht mitbekommen, was sich so um die Serien an Diskussionen abgespielt hat. Ratz und Rübe waren wirklich klasse. In welchem Archiv müssen die wohl heute verstauben? Deshalb: Befreit Ratz und Rübe!“

Michael (1970): „Ratz und Rübe dauerkreischend, dazu noch langweilige Zeichentrickgeschichten mit hässlichen Figuren. Furchtbar und deprimierend einfach. Das kommt wohl dabei raus, wenn zu viele Gebührengelder und zu viele Sozialpädagogen zusammenkommen.“

Dae Dia (1962): „Die erste Sendung für Kids, in der das Wort ‚Pimmel‘ erwähnt wurde. :) Gab noch nicht einmal einen großen Skandal, weil antiautoritär als schick und möglichst frühe Aufklärung gerade für die Schulen propagiert wurde. Ratz und Rübe forever.“

Claudia (1975): „Das war sozialpädagogisches Fernsehen. Ratz war ja noch in Ordnung, aber Rübe, ich habe nie verstanden, dass das ein Mädchen sein sollte. Zudem hatte die eine so fiese Stimme und war sowieso etwas seltsam. Die Themen konnte ich auch nie nachvollziehen. Vielleicht weil ich nicht zu den Kindern gehörte, deren beide Eltern arbeiten mussten? Wir haben halt auch nicht zu fünft in einer kleinen Flachbauwohnung mitten in der Stadt gewohnt. Geguckt hab ich es irgendwie trotzdem, auch wenn ich Rübe doof fand.“

Emkaa (1968): „Ratz und Rübe waren geil! Ich wollte schon immer ein Schlüsselkind sein und in Berlin wohnen.“