Die Waffe für Geld und Ideologie

Neonaziaufmarsch und Rechtsrock-Konzert in Winterhude: Die Musik von Skinhead-Bands gilt Rechtsextremisten inzwischen als probates Mittel zur Rekrutierung Jugendlicher. Verbote von Konzerten sind juristisch nur schwer durchzusetzen

von Andreas Speit

Das Mikrofon fest in der Hand, brüllt Marko Gottschalk drohend: „Man sieht sich zweimal im Leben“ und „Wir kriegen euch alle“. Schlagzeug und Gitarren der neonazistischen Band Oidoxie setzen ein, der glatzköpfige Frontmann grölt: „Der Stolz eines Skinheads wird niemals vergehen. Aufrecht und mutig werden wir zusammenstehen. Denn Skinhead sein, ja das ist unsere Sache. Und eines Tages kommt der Tag der Rache.“ In den Refrain stimmen die Fans ein: „Stolz, stolz, deutsch zu sein. Deutscher Skinhead, was kann schöner sein?“

Winterhude, Samstag, 15 Uhr: Zum Abschluss des vom Hamburger Neonazi-Führer Christian Worch angemeldeten Aufmarschs unter dem Motto „Musikfreiheit ist Meinungsfreiheit“ spielen Oidoxie live von der Ladefläche eines Lastwagens.

Seit über drei Stunden marschieren an die 150 Neonazis vom U-Bahnhof Hudtwalcker Straße zur U-Bahn Alsterdorf. Transparente – „Nazis verpisst euch“ – hängen aus einigen Fenstern, an vielen Wänden kleben Plakate: „Rechtsrock abschalten“. Über 500 Menschen protestieren gegen den „Aufmarsch mit musikalischer Darbietung“. Trillerpfeifen und Parolen schallen vom Straßenrand, wenn die Rechten erscheinen. Der Vorschlag „Folgt eurem Führer – bringt euch um“, ärgert die überwiegend jugendlichen Neonazis aus dem Norden am meisten.

Schon eine Stunde vor Beginn des Neonazimarsches hatten sich die Gegendemonstranten am Magazin-Kino nahe des U-Bahnhofs Lattenkamp versammelt. „Besonders Jugendliche wollen die Neonazis mit Rechtsrock ansprechen“, erklärt Tina Sanders, Sprecherin des Bündnisses „Rechtsrock abschalten“. Die Musik der etwa 120 deutschen Rechtsrockbands sei „der“ Ideologieträger der Szene und bringe zudem „viel Geld“ ein. Dass Musik für Oidoxie-Sänger Gottschalk eine Waffe im politischen Kampf für „Volk und Rasse“ ist, verkündet er gleich zu Beginn: „Wir sind keine Spaßfraktion.“

Die provisorische Bühne wird abgesichert durch eigene Bodyguards mit Klebebändern auf Oberarmen und T-Shirts, um verbotene Aufdrucke und Tattoos zu verdecken. Mehrfach schmettert Gottschalk die vertonte Message von den Wehrmachtssoldaten als den „besten Soldaten der Welt“ und Adolf Hitlers Stellvertreter Rudolf Heß als dem „ungebrochenen Kämpfer, trotz jahrzehntelanger Haft“.

Ganz auf die Texte von Oidoxie vertrauend, hält Worch ausnahmsweise keine langen Reden. „Hätte die Innenbehörde nicht im März ein Saalkonzert verboten“, sagt der Neonaziführer, „wäre es nicht zu dem Konzert auf der Straße gekommen.“ Würden weitere Konzerte von der Stadt verboten, droht Worch, sogleich wieder Open-Air-Veranstaltungen anzumelden: „Wir haben die juristischen Mittel, die Infrastruktur und die Organisationskraft.“

Ein internes Missverständnis führte allerdings dazu, dass nicht die erwarteten 500 Neonazis kamen. Der Ausfall des Bandgitarristen löste das Gerücht aus, Oidoxie könne nicht spielen. Doch ein befreundeter Gitarrist sprang ein. Am Abend musste er aber noch bei einem Rechtsrockkonzert im dänischen Padborg spielen. Wohl mit ein Grund, dass Worch auf den zügigen Abschluss des Aufmarschs drängte.

„Alles verlief weitgehend friedlich“, erklärte ein Pressesprecher der Polizei am Ende vor Ort. Vereinzelt nahm die Polizei, die mit 1.400 Beamten und schwerem Gerät wie Wasserwerfern und Räumfahrzeugen im Einsatz war, Gegendemonstranten in Gewahrsam. Angeblich hätten sie mit Eiern geworfen und Platzverweise nicht befolgt.