Mit dem Kopftuch eins auf die Mütze

Die SPD-Parteibasis in Bremen will alle religiösen Symbole aus den Schulen verbannen – und verpasst damit Henning Scherf einen Denkzettel. Gleichzeitig verzichteten die Delegierten auf eine offene Auseinandersetzung mit ihrem Bürgermeister

Bremen taz ■ Eine Niederlage kassierte Regierungschef Henning Scherf am Samstag auf dem Landesparteitag der SPD. Bei der Abstimmung über die Position seiner Partei zum Kopftuchstreit ließen die Delegierten Scherf mit seinem Kompromissvorschlag im Regen stehen – 108 der 178 SPDler stimmten für ein striktes Verbot aller religiösen Symbole an Schulen und folgten damit einem Antrag des SPD-Unterbezirks Nord. Scherf hingegen hatte sich dafür stark gemacht, Kopftücher, Kippas oder Kreuze ausnahmsweise und auf Widerruf zuzulassen. Dieser auch von allen maßgeblichen ParteifunktionärInnen mitgetragene Entwurf kam gar nicht mehr zur Abstimmung.

Um sich ihr ablehnendes Votum zu erleichtern, bestand die Parteibasis am Ende der von zahlreichen LehrerInnen angeführten Debatte jedoch – entgegen der sonstiger Traditionen – auf einer geheimen Abstimmung. Anschließend machte das Wort von der Ohrfeige die Runde, einige Delegierte wollten sogar einen ersten Nagel im Sarg von Henning Scherf eingeschlagen sehen.

Dieser hatte zuvor in einer sehr persönlich und emotional vorgetragenen Rede noch einmal nachdrücklich für seine Position geworben und sie als „bundesweit vorbildlich“ bezeichnet. In diesem Zusammenhang kritisierte er die Debatte seiner Vorredner als „völlig überzogen“. Heftigen Widerspruch im Saal erntete er für seine Bemerkung, ein Nein seitens der SPD brächte ihn gegenüber seinen muslimischen FreundInnen, aber auch gegenüber den anderen Bundesländern und der CDU in „größte Verlegenheit“.

Nach der „schmerzhaften Abstimmung“ sprach Scherf von einer „persönlichen Niederlage in einer sehr wichtigen Frage“. Die Partei habe den Aufstand geprobt und ihrer Spitze die Loyalität verweigert. Das Ergebnis sei jedoch in einer Demokratie zu respektieren. Einige der Delegierten hätten ihm nach seiner Entscheidung, weiterhin Bürgermeister bleiben zu wollen, wohl einen „Denkzettel“ verpassen wollen, räumte Scherf ein.

Diese Niederlage war auch für Bildungssenator Lemke eine „neue Erfahrung“ – er verwies darauf, dass es in den vergangenen fünf Jahren in der Bremer SPD keine ähnliche Situation gegeben habe. Es dürfe jetzt aber nicht zu einem „Kulturkampf“ in der Stadt kommen. Er persönlich könne mit der Entscheidung leben. SPD-Landeschef Carsten Sieling, der sich ebenfalls für ein flexibles Verbot eingesetzt hatte, wertete das Ergebnis vor allem als Sieg der innerparteilichen Demokratie: „Was die Parteibasis beschließt, hat Gültigkeit“, sagte er – und meinte damit wohl Scherf, dessen eigenmächtiges Handeln er noch am Dienstag auf einer außerordentlichen Parteikonferenz kritisiert hatte. Gleichzeitig betonte Sieling, dass die Partei nach den „notwendigen Klärungen der vergangenen Woche“ nach wie vor geschlossen hinter ihrem Bürgermeister stehe. Er sehe keinen Anlass, Scherf auf dem Parteitag nochmals das Radiointerview vorzuhalten, mit dem dieser kundgetan hatte, 2005 doch noch nicht zurücktreten zu wollen – ohne seiner Partei dieses zuvor mitgeteilt zu haben. Statt dessen kündigte Sieling für 2007 eine Befragung der Mitglieder zur Koalitionsbildung an.

CDU-Fraktionschef Jörg Kastendieck wertete den Beschluss als „eine klare Absage an den Kurs von Scherf, Sieling und Böhrnsen“ und begrüßte die Entscheidung ebenso wie Innensenator Thomas Röwekamp (CDU). Beide sehen in dem Beschluss der SPD eine „klare Bestätigung“ der eigenen Position.

Jan Zier