türkischer fußball
: Die Kopie besiegt das Original

Es war angerichtet für ein Spitzenspiel. Yesilyurt und Türkiyemspor hatten vor dem sonntäglichen Duell in der Weddinger Hanne-Sobeck-Sportanlage sämtliche Spiele gewonnen. Trotz des sportlichen Gleichschrittes in der Fußball-Oberliga und der beiderseits türkischen Wurzeln tun sich Welten auf zwischen dem Emporkömmling aus dem Wedding (Yesilyurt) und dem angejahrten „Liebling Kreuzberg“ der dortigen Multikulti-Szene. Vielleicht, weil sich die Rivalen wie Original und Kopie gegenüberstehen.

 Türkiyem war mal das, was Yesilyurt werden will: ein überregionales Aushängeschild von Fußball-Berlin. Erklärtes Nahziel der Weddinger ist der Aufstieg in die Regionalliga Nord, den Unterbau der beiden professionellen Bundesligen. An die Pforte zur 2. Liga hatte Türkiyem kurz nach dem Mauerfall mit Macht angeklopft, bevor der Club im Finanzsumpf versank.

 „Türkiyem war einmalig. Yesilyurt hat den Vorteil, dass man aus den Fehlern von Türkiyem lernen kann“, urteilte Trainer Bülent Güdogdu, der einst Türkiyems große Epoche einläutete. Nun betreut er pikanterweise den Rivalen in der Hanne-Sobeck-Anlage.

 Dort hing der Haussegen vor dem Anpfiff zu dem Derby schief. „Eine Unverschämtheit“, zischte Yesilyurt-Manager Gökmen Ilkyaz, der dem Rivalen einen Deal angeboten hatte: Das Oberliga-Spitzenspiel sollte statt um 13 Uhr erst um 17 Uhr beginnen. „Dann hätten auch noch Fans anderer Berliner Vereine zuschauen können“, erklärte Ilkyaz. Türkiyem wollte angeblich pekuniär überzeugt werden. „Die fragten nur, wie viel dabei für sie abfallen würde“, schimpfte der Yesilyurt-Manager. Türkiyems Präsident Kadir Aslan unterstellte dem Konkurrenten im Gegenzug „fiese Tricks“: Yesilyurt wolle den besten Kreuzberger Stürmer abwerben.

 Türkiyem könnte Geld vermutlich gut gebrauchen. Wer letzte Woche auf der Geschäftsstelle des Clubs in der Mariannenstraße anrief, hörte nur einen dreitonalen Piepton. Telefonrechnung nicht bezahlt? „Wir sind ein armer Verein“, antwortete Spielleiter Firat Tuncay via Handy.

 „Wir haben genug Geld“, konterte Yesilyurt-Manager Gökmen Ilkyaz. Sein Vater Zeki, ein ehemaliger Meisterboxer aus der Türkei, der nunmehr Getränke nach Berlin importiert, lässt bei Yesilyurt die Geldquelle sprudeln. Binnen weniger Jahre spülte er Yesilyurt aus der Anonymität der Amateur-Niederung in die nordostdeutsche Oberliga. Türkiyem hingegen diente sich bei Fenerbahce Istanbul als Filiale an. Am Kreuzberg sollen in Zukunft Fußballtalente reifen, die später zum Nobelclub an den Bosporus transferiert werden sollten.

 Hier Im-, dort Export. „Wir bleiben lieber für uns. Yesilyurt lässt sich nicht aufkaufen“, höhnte im Wedding Manager Ilkyaz über Türkiyemspors neue Erfolgstaktik. Und er hatte nach nach Spielschluss die Nase vorn. Yesliyurt gewann deutlich mit 5:1 und steht an der Tabellenspitze. Türkiyemspor rutschte auf den fünften Rang ab.

JÜRGEN SCHULZ