Vom anderen Stern

Deutschlands Eishockeyspieler stellen beim World Cup fest, dass sie mit den Weltbesten nicht mithalten können

PRAG taz ■ Franz Reindl vollbringt in diesen Tagen eine außerordentliche Fantasieleistung. Das Team des Übergangs-Bundestrainers hat beim World Cup of Hockey zwar seine drei Vorrundenspiele klar verloren, nach dem 2:5 in Schweden und dem 0:3 gegen Finnland beim 2:7 in Prag gegen Tschechien am Freitagabend erlebte die deutsche Mannschaft gar ein hübsches Debakel. Trotzdem findet der 49-Jährige immer noch einen Blickwinkel, von dem aus er die Dinge positiv betrachten kann. „Wir haben bisher nur zwei wirklich schlechte Drittel gespielt und sonst immer gut dagegengehalten“, sagt Reindl, der das Traineramt im Oktober an Greg Poss übergeben wird.

Der World Cup of Hockey, der von der National Hockey League nach nordamerikanischen Regeln veranstaltet wird, hat zudem einen entscheidenden Vorteil: Jedes Team steht automatisch im Viertelfinale, auch die sieglosen Deutschen, die in der Europa-Gruppe den letzten Platz belegen. Heute Abend tritt die deutsche Mannschaft im Play-off-Spiel in Helsinki in der Hartwall-Arena gegen Gruppensieger Finnland an, der am Samstagabend zu einem 4:4 nach Verlängerung gegen Schweden gekommen war. Der Gruppenzweite Schweden empfängt Tschechien. Auch hier versteht es Reindl, die Dinge positiv zu sehen. „Die Finnen haben sich ganz besonders angestrengt, Gruppensieger zu werden, um gegen uns spielen zu können. Vielleicht nehmen sie uns auf die leichte Schulter.“

Dies wäre wohl tatsächlich die einzige Chance für die Deutschen, gegen die humorlosen und abgeklärten Finnen mit ihrem Weltklasse-Goalie Miikka Kiprusoff (Calgary Flames) zu bestehen. Reindls Team kämpfte zwar in allen Begegnungen stets bis zum Letzten, war aber dennoch immer chancenlos. Zu groß erscheint der Klassenunterschied zwischen dem ehrgeizigen Außenseiter und den Profis der Topnationen. Während die Deutschen im Spiel gegen Finnland am Donnerstagabend in der Kölnarena konstant unterlegen waren und zudem durch eine hundsmiserable Chancenverwertung auffielen, war es in den beiden anderen Partien jeweils im Mitteldrittel um die deutsche Mannschaft geschehen: Am vergangenen Dienstag kassierten sie in Stockholm im zweiten Abschnitt 4 Tore.

In Prag waren es nach einem torlosen Beginn sogar 5 Gegentreffer. „Wir haben am Anfang gut dagegengehalten. Doch dann brach ein Sturm über uns herein“, meinte Reindl. Es ging wirklich schnell: Dem 1:0 im Powerplay in der 23. Minute durch einen Schlagschuss von Marek Zidlicky ließen die Hochbegabten aus der NHL um Superstar Jaromir Jagr innerhalb von nur 13 Minuten weitere 4 Treffer folgen. „Sie haben uns überrannt, sie spielten wie von einem anderen Stern. Es war bitter. Doch das ist die reale Welt“, musste Reindl feststellen.

Die reale Welt ist auch: Am World Cup of Hockey nehmen, anders an als den vom Weltverband IIHF ausgetragenen Weltmeisterschaften, nur die besten acht Nationalteams der Welt teil. Fast alle Profis spielen in der NHL. Ausnahme ist die deutsche Mannschaft, die gerade einmal sieben Nordamerika-Profis aufbieten kann und als Achter zu dem Turnier geladen wurde – irgendwie musste die NHL zwei Gruppen à vier Mannschaften bestücken. „Bei einer WM“, meint Reindl, „ist die Belastung viel weniger hoch.“ Und außerdem hat die DEB-Auswahl dort durch Siege gegen Länder wie Österreich oder Kasachstan stets auch Erfolgserlebnisse.

Torwart Olaf Kölzig von den Washington Capitals, auch ein Meister positiven Denkens, sieht einen unschätzbaren Wert im scheinbar aussichtslosen Unterfangen World Cup: „Nur wenn man gegen die Besten der Besten spielt, entwickelt man sich wirklich weiter. Unser Selbstvertrauen wird größer, vielleicht schaffen wir ja bald eine Überraschung.“ CHRISTIANE MITATSELIS