DIE REFORM DES SCHWEDISCHEN SOZIALSTAATS TAUGT NICHT ALS VORBILD
: Nachhilfe in Glaubwürdigkeit

„Ministerpräsident Persson jetzt Ratgeber von Kanzler Schröder“, melden die schwedischen Medien stolz. Dass der Regierungschef ihres Landes extra nach Bonn gebeten worden war, um den deutschen Genossen zu verklickern, wie man den Sozialstaat richtig kahl schlägt. Er habe „dem Gerhard“ schon vor Jahren gesagt, er solle nicht zögern, die notwendigen „Gemeinheiten“ radikal und auf einen Schlag durchsetzen, ließ Persson kürzlich wissen. Ob die Deutschen nun endlich ihre Lektion von ihm, dem weisen Nordlicht, gelernt haben?

Persson hat gut reden. Tatsächlich hat er mit seinen Sozis zwar in den Neunzigerjahren einen nicht mehr finanzierbaren Sozialstaat vor dem Bankrott bewahrt und wenigstens einen Restbestand gerettet. Mit all den Reformelementen an verstärkter Eigenfinanzierung und verschlechtertem Leistungsniveau, über die auch in Deutschland debattiert wird. Doch er hatte es damit in mehrfacher Hinsicht viel einfacher: Bei einem über Steuern statt über unterschiedliche Versicherungen und Abgaben finanzierten schwedischen Sozialsystem konnte zentral eingegriffen und politisch entschieden werden, ohne auf eine Vielzahl von Behörden, Kassen und Interessenverbänden Rücksicht nehmen zu müssen. Hinzu kam eine in vier Parteien zersplitterte Opposition, die nie vermochte, ein wirkliches Gegenkonzept vorzulegen, während seine Sozialdemokraten es durchaus schafften, ein glaubwürdiges Paket zu schnüren. Zudem wurde im Verteidigungshaushalt noch radikaler gestrichen als im Sozialbereich. Was zwar kaum Effekt hatte, aber den Kritikern viel Wind aus den Segeln nahm. Viele Kürzungen, etwa beim Arbeitslosen- und Krankengeld, wurden befristet, bis die Staatsfinanzen wieder eine Aufstockung erlaubten. Diesen Versprechen wurde nicht nur geglaubt – die SchwedInnen haben historisch kaum schlechte Erfahrungen mit ihrem Staat –, sondern sie wurden auch weitgehend eingehalten.

Vielleicht hätte Göran dem Gerhard anstelle von Nachhilfe in Sachen Sozialstaatsreform lieber erklären sollen, wie man bei der Bevölkerung glaubwürdig rüberkommt. REINHARD WOLFF