Vormarsch für Sold

Ehemalige Soldaten besetzen zwei Städte auf Haiti. Sie fordern eine Nachzahlung ihres Solds

SANTO DOMINGO taz ■ Auch knapp sechs Monate nach dem erzwungenen Abgang des haitianischen Staatspräsidenten Jean-Bertrand Aristide kommt die Karibikrepublik nicht zur Ruhe. Ende August besetzten ehemalige Armeeangehörige zwei Städte des Landes, um von der Übergangsregierung unter Ministerpräsident Gérard Latortue die Nachzahlung des Soldes für die vergangenen zehn Jahre zu erzwingen. Aristide hatte die „Forces Armées d’Haïti“ (FADH), die haitische Armee, 1995 aufgelöst, nachdem Armeemitglieder im Jahre 1991 gegen ihn geputscht und eine blutige Militärdiktatur errichtet hatten, die drei Jahre herrschte.

Am 30. August besetzte eine Hundertschaft bewaffneter Exmilitärs die südwestlich der haitianischen Hauptstadt Port-au-Prince gelegene Hafenstadt Petit Goâve und machte das Polizeirevier der 300.000 Einwohner zählenden Stadt zu ihrem Hauptquartier. Zehn anwesenden Polizisten suchten widerstandslos das Weite. Laut Toussaint Kongo-Doudou, dem Sprecher der UN-Blauhelmtruppe Minustrah, zog sich eine Blauhelmeinheit, die in der Stadt stationiert war, zurück, weil die Bevölkerung die aufständischen Exmilitärs unterstütze. Im haitianischen Rundfunksender Radio Metropole erklärte Ravix Rémissainte, der Chef der aufständischen ehemaligen Militärs, seine Gruppe kämpfe für den Wiederaufbau der Armee.

In der südlichen Hafenstadt Jacmel bestimmen die demobilisierten Soldaten inzwischen das Straßenbild. Sie patrouillieren bewaffnet durch die Straßen. In Gonaïves, wo der Aufstand gegen Aristide zum Jahreswechsel seinen Ausgang nahm, marschieren immer wieder schwer bewaffnete Exmilitärs durch die Stadt, um ihren Forderungen Nachdruck zu verleihen.

Ende Juli hatten die ehemaligen Armeeangehörigen den Interimsregierungschef Gérard Latortue aufgefordert, ihren Sold nachzuzahlen und ein Ultimatum bis zum 10. August gesetzt. Latortue hatte die Frist verstreichen lassen und die Forderung in einem Gespräch mit der taz (siehe taz vom 31. 8.) als „absurd“ bezeichnet. Allerdings wolle man mit den ehemaligen Militärs das Gespräch suchen.

Die haitianische Übergangsregierung will ab dem 15. September mit Hilfe der internationalen UN-Blauhelmtruppe die Entwaffnung der Rebellen und der Anhänger von Expräsident Jean-Bertrand Aristide einleiten. Die ehemaligen Militärs lehnen eine Entwaffnung ab und fordern ihre Eingliederung in die neu zu gründende Polizei und Armee. Wie die Entwaffnung geschehen soll, ist bisher unklar.

HANS-ULRICH DILLMANN