Neuer Pestizidskandal im Alten Land

Umweltbundesamt: Illegaler Gifteinsatz weiterhin systematisch. Zu lasche Kontrollen durch die Behörden

BERLIN taz ■ Die Experten im Umweltbundesamt (UBA) schreiben zum Thema „Pestizideinsatz im Alten Land“ in einem internen Bericht, der der taz vorliegt: „Offensichtlich wird nach wie vor systematisch gegen gesetzliche Bestimmungen verstoßen.“

Die beamteten Umweltschützer in Berlin haben darin die Prüfberichte aus den Pflanzenschutzämtern Hamburg und Hannover sowie aus dem Niedersächsischen Landesamt für Ökologie ausgewertet. Ihr Fazit: Nach wie vor werden in den Gewässern im Alten Land Pestizidrückstände gefunden, die über den zulässigen Maximalwerten lagen. Die gesetzliche Bestimmung („Allgemeinverfügung“) hat ein „Schlupfloch“, nach dem Ausnahmen beim Pestizideinsatz möglich sind, diese Ausnahmen gelten inzwischen für „58–60 Prozent der Gesamtfläche“. Nach wie vor werden verbotene Mittel gefunden und die Bauern dokumentieren ihre Pestizideinsätze nicht regelgerecht, moniert das UBA. Auch sei die Kontrolle der Pflanzenschutzämter vor Ort teilweise „ungenügend“.

Zwar werden die Rückstände der Pestizide in den Wassergräben des Obstanbaugebiets nicht mehr so häufig gefunden wie noch vor ein paar Jahren. Doch nach wie vor sei Fehlverhalten der Landwirte dokumentiert, die etwa zu nah an den sensiblen Gewässern spritzen. Bei Kontrollen entdeckten Beamte nicht zugelassene Mittel, bei denen zum Teil die „Aufbrauchfrist bereits abgelaufen war“. Der interne UBA-Bericht listet auch einige besonders dreiste Überschreitungen auf. So hätten einige Betriebe ihre Spritztagebücher nicht offen gelegt. Andere hätten aus der Vergangenheit gelernt – und führten nur noch legale Mittel in ihren Büchern. Die illegalen fanden sich trotzdem in den Gewässern.

Die Obstbauern im Alten Land sind für die Experten des UBA alte Bekannte. Seit Jahren dokumentieren die Prüfämter direkt und indirekt die Verstöße gegen die Regeln zum Pestizideinsatz. Bereits 2002 etwa monierte das UBA: „Pflanzenschutzmittel wurden und werden im Alten Land illegal eingesetzt“ (die taz berichtete). Die Obstbauern südlich von Hamburg produzieren einen großen Teil aller Äpfel, die in Deutschland auf den Markt kommen. Sie verweisen darauf, die Überschreitungen der Grenzwerte seien auf wenige schwarze Schafe unter den Obstbauern zurückzuführen.

Dass das UBA sich in dieser Frage so weit vorwagt, hat noch einen anderen Grund: Zuständig für die Kontrolle des Pflanzenschutzgesetzes ist nicht der Bund, sondern die Länder. Deren Kontrollen im Alten Land waren aber bisher nicht immer sehr zielgerichtet, moniert man in Berlin. So führt auch der aktuelle Bericht wieder eine aus UBA-Sicht seltsame Aktion der Behörden in Niedersachsen auf: Bauern, die bereits in den Vorjahren auffällig geworden waren, wurden in 24 Fällen mit einer „Anlasskontrolle“ bedacht, in 17 Fällen wurden Proben entnommen. „Die Ergebnisse sind nicht im Bericht enthalten“, schreiben die UBA-Autoren lakonisch. „Begründung: Sie würden kein realistisches Bild von der Einhaltung der Allgemeinverfügung zeichnen.“ BERNHARD PÖTTER