Zuzug aus Nahost

Angebliche Al-Quida-Kontakte und die arabischen Kämpfer

BERLIN taz ■ Die Toten des Dramas rund um die Schule in Beslan waren noch nicht gezählt, da warteten die lokalen russischen Behörden mit der Meldung auf, zehn der Geiselnehmer seien arabischer oder nahöstlicher Abstammung gewesen. Belege für diese Behauptung blieben sie bislang schuldig.

Nun ist der Export arabischer Mudschaheddin nach Tschetschenien nicht neu. Seit Mitte der 90er-Jahre suchten militante Islamisten, die einst vom saudischen, pakistanischen und US-amerikanischen Geheimdienst CIA für den Kampf gegen sowjetische Truppen in Afghanistan angeworben wurden, ein neues Betätigungsfeld. Der bekannteste arabische Tschetschenienkämpfer war der schillernde, in Saudi-Arabien geborene Jordanier Thamer Bin Saleh al-Suwailem, besser bekannt unter seinem Kampfnamen Omar Ibn al-Chattab. Er soll tschetschenischer Abstammung sein. Seine Aktionen ließ er gern auf Videos aufnehmen. Chattab werden von den russischen Behörden als Kommandanten der arabischen Mudschaheddin im Kaukasus zahlreiche Anschläge in Tschetschenien, aber auch in Moskau, etwa 1996 auf die U-Bahn oder 1999 Attentate auf Miethäuser, zur Last gelegt. Im April 2002 gelang es dem russischen Geheimdienst, ihn offenbar mittels eines vergifteten Briefes zu ermorden.

Sein eher öffentlichkeitsscheuer Nachfolger, der Saudi Abdel Asis al- Ghamdi, auch Abu Walid genannt, hatte nach Afghanistan in Bosnien gekämpft. 1995 ging er erstmals nach Tschetschenien. Abu Walid machte im November letzten Jahres von sich reden, als der arabische Fernsehsender al-Dschasira ein Videoband mit ihm ausstrahlte, in dem er dazu aufrief, den Kampf ins innerrussische Territorium zu tragen. Außerdem propagierte er den Einsatz weiblicher Selbstmordattentäter, die den Tod ihrer Männer und Kinder rächen sollten. Die Wichtigkeit Abu Walids wird auch dadurch deutlich, dass die russischen Sicherheitskräfte bereits siebenmal seinen Tod vermeldeten, bevor er im April dieses Jahres tatsächlich unter mysteriösen Umständen, wahrscheinlich von einem seiner Vertrauten, erschossen wurde.

Die russischen Behörden weisen immer wieder gerne auf die Verbindung der tschetschenischen Kämpfer zu al-Qaida hin. Chattab hatte aber stets jegliche Zusammenarbeit mit al-Qaida abgestritten. Doch die Russen warten auch mit anderen Zusammenhängen auf. Ein Marrokaner, dem Zusammenarbeit mit den Attentätern vom 11. September vorgeworfen wurde, erklärte gegenüber einem deutschen Gericht, der Chef der Operation, Mohammed Atta, habe ursprünglich geplant, in Tschetschenien zu kämpfen. Zacarias Moussaoui, der von den amerikanischen Behörden als der 20. Flugzeugentführer des 11. September angeklagt wurde, soll nach Angaben des Wall Street Journal ein Rekrutierungbüro für arabische Tschetschenienkämpfer betrieben haben.

Die Zusammenarbeit soll aber keine Einbahnstraße sein. Tschetschenische Kämpfer haben aufseiten der Taliban angeblich gegen die afghanische Nordallianz gekämpft. Ihnen geht auch in der arabischen Welt der Ruf voraus, an Terroraktionen beteiligt zu sein.

Für die russischen Behörden war die Al-Qaida-Connection in Tschetschenien immer als Begründung willkommen, um ihre eigene brutale Vorgehensweise in Tschetschenien als Teil des internationalen Antiterrorkampfs zu rechtfertigen. Rein von ihrer Kampfstärke, wohl nicht mehr als 200 Mann, spielen die arabischen Mudschaheddin in Tschetschenien allerdings keine wichtige Rolle. KARIM EL-GAWHARY