Dreht sich denn der Rückenwind?

Die CDU freut sich über den „wahnsinnigen Zuwachs im bürgerlichen Lager“. SPD-Generalsekretär Benneter spürt „Rückenwind“ für seine Partei – der halt leider nicht mehr rechtzeitig gekommen sei

BERLIN taz ■ Eine ging ganz aus sich heraus: Angela Merkel sprach von einem „wahnsinnigen Zuwachs“ für das bürgerliche Lager und machte aus ihrer Freude keinen Hehl. Ansonsten hielt sich der Jubel in der CDU-Zentrale angesichts des erwarteten Ergebnisses in Grenzen, zumal der Stimmenanteil am Ende ein wenig hinter den Umfragen der letzten Wochen blieb. Ungetrübt war nur die Schadenfreude – über das schlechte Abschneiden der SPD. CDU-Generalsekretär Laurenz Meyer kam gleich zur Analyse: „Im Kernbereich Wirtschaft und Arbeit trauen die Wähler der CDU mehr zu“, sagte er gestern in Berlin.

Auch die SPD hatte lang genug Zeit gehabt, sich auf die drohende Wahlschlappe einzustellen. Das hatte zur Folge, dass im Willy-Brandt-Haus noch eine halbe Stunde nach Bekanntgabe der Wahlergebnisse niemand war, um diese zu erläutern. Niemand – außer den Jusos. „Also ich jedenfalls habe meinen Bundesvorstand komplett hier“, erklärte Juso-Chef Björn Böhning. Übrigens habe es bei den Jusos im Gegensatz zur SPD auch keine Austritte gegeben in den vergangenen Monaten. „Wir ducken uns nicht weg.“ Allerdings wollte er auch den Wahlverlierer Heiko Maas nicht anklagen: „Der hat schon gute Arbeit gemacht.“ Insgesamt sei der nachwachsenden Generation kein Vorwurf zu machen: „Uns passiert das nicht, dass wir uns so zerlegen wie die Alten … wie Gerhard Schröder und Oskar Lafontaine.“

Immerhin aber rang sich der Juso-Bundesvorstand zu einem dünnen Applaus durch, als SPD-Generalsekretär Klaus Uwe Benneter erschien, um Heiko Maas zu bedauern. Ihm habe „der Rückenwind“ noch nicht geholfen, den die SPD inzwischen dank guter Ergebnisse der Gesundheitsreform und wachsender Zustimmung zum Hartz-IV-Kurs genieße.

Aber Benneter gab sich optimistisch: Schon bei den kommenden Wahlen in Brandenburg und Sachsen werde sich die Konsequenz der Regierung bei der Umsetzung der Arbeitsmarktreformen auszahlen: „Der Wind dreht sich.“ Allerdings haben Wahlforscher bereits herausgefunden, dass vor allem Arbeiter und Arbeitslose der SPD den Rücken gekehrt haben.

Gefragt nach dem Wahlverderber Lafontaine, sagte Benneter: „Dazu hat Heiko Maas alles gesagt.“ Der hatte darauf hingewiesen, dass der Ex-SPD-Chef mit seinen Einlassungen zur Linkspartei das Ergebnis ruiniert habe und sich nun entscheiden müsse, ob er innerhalb oder außerhalb der SPD Politik machen wolle.

Freude herrschte bei den kleinen Parteien. Sie sind die eigentlichen Gewinner dieser Wahl. Das wird für FDP-Chef Guido Westerwelle zumindest kurzfristig bedeuten, dass der parteiinterne Druck ein wenig nachlässt: Gerade erst letzte Woche hatte sein Dauerkonkurrent Wolfgang Gerhardt auf einer FDP-Fraktionsklausur erneut seinen Führungsanspruch bei den Liberalen bekräftigt. Denn obwohl die Bundestagswahl 2006 noch weit weg ist, beschäftigt sich die FDP schon jetzt intensiv mit der Frage, wer nach einem möglichen Sieg den Posten des Außenministers bekleiden könnte. Allerdings blieb der FDP der größte Triumph verwehrt: Wieder gelang es nicht, sich endlich vor die Grünen zu schieben, die erneut davon profitierten, dass ihr Koalitionspartner SPD so schwach dasteht.

Alle etablierten Parteien sind sich einig, dass der Zuwachs der NPD zu denken gibt. CDU-Generalsekretär Meyer hatte bereits um 18.20 Uhr die Verantwortlichen ausgemacht: Nach den Analysen, die ihm vorlägen, speise sich der Zulauf zur NPD „in erster Linie aus enttäuschten SPD-Wählern“. LKW, UH, UWI